Statistik – Kapitel 2: Motive und ein paar grundlegende Daten.

Die amerikanischen Wissenschaftler haben eine anspruchsvolle Analyse durchgeführt. Daten aus 99 Jahre, aus denen man zunächst diejenigen aussortieren muss, die nicht verwendet werden können, weil wichtige Informationen, wie genaues Geburtsdatum, Geburtsort, Elterndaten oder Informationen über die Wurfgröße fehlen. Manche der Daten kann man bei der einen Auswertung verwenden, bei der anderen nicht. Und je weiter man zurückgeht, umso lückenhafter werden die Daten. Ich kann nur meinen Hut vor dieser Aufgabe ziehen und gebe den Autoren der Studie recht, wenn sie schreiben, dass es die umfassendste Analyse von Reproduktionsdaten und Überlebensdaten von Jungtieren vom im Zoo gehaltenen Eisbären ist, die bisher durchgeführt wurde.

American scientists have conducted a sophisticated analysis.  The data covers 99 years, although one must sort through, to eliminate those with missing bits of information like birth date, birth place, parental information, or information on the size of the litter.  Many of these facts can be vital to certain evaluations, while in others, not at all.  And the further you go back, the more incomplete the data.  I can only accept the data and trust that at the time it was written, the authors have carried out a  study produced the most comprehensive analysis of reproduction data and survival rate from zoos who house polar bears.

Die Motivation der Wissenschaftler ist leicht nachzuvollziehen. Sie erklären in ihrer Einleitung, dass trotz der Tatsache, dass fast alle in den Tiergärten gehaltenen Eisbären zur Zucht empfohlen sind, in den nordamerikanischen Zoos jedes Jahr weniger Jungtiere geboren werden und die Rate der Sterblichkeit nach wie vor hoch ist. Die Zooverantwortlichen und Tierpfleger verfügen über Erfahrungen aus vielen Jahren und verlassen sich auf anekdotische Berichte, wenn es um Reproduktionsereignisse, wie Zeitpunkt der Geburt, Wurfgröße und Überleben der Jungtiere geht. Ziel der Analyse war es diese subjektiven Einschätzungen durch objektiv Trends bei der Eisbärenreproduktion in Laufe der Haltung in den nordamerikanischen Zoos zu ergänzen.

The motivation of these scientists is easy to understand. They explain in their introduction that the fact is that almost all zoos with polar bears are approved for breeding, North American zoos see fewer cubs born, and the mortality rate is still high. Zoo managers and keepers are experienced and rely on anecdotal information, if it’s a matter of date of birth, den size, and survival of the cubs. The purpose of the analysis was to supplement these subjective assessments with objective information about the issue of polar bear reproduction in North American zoos.

 Von 1950 bis 1980 stieg die Zahl der in nordamerikanischen Zoos geborenen Eisbären und die Zoopopulation erreichte ihren Höhepunkt mit 229 Individuen in Jahr 1975 als Resultat sowohl von ansteigenden Geburten als auch von Entnahmen aus der Wildnis. Doch aufgrund des begrenzten Platzes und des Wunsches den Tieren größere, natürlichere Anlagen zu bieten wurde es immer schwieriger einen Platz für den Nachwuchs zu finden. Man riet den Zooverantwortlichen nicht zu züchten und so wurden viele Eisbären sterilisiert oder die Eisbärinnen „bekamen“ die Pille, was zu einem Sinken der Populationszahlen führte.

From 1950 to 1980, the numbers of polar bear cubs born in North American zoos increased and the captive population reached its peak of 229 individuals in 1975 as a result of both increased births and wild imports. Due to space restrictions, and the desire to provide larger, naturalistic exhibits, it has became harder and harder to find a place for cubs. Animal managers were advised not to breed, so many males were sterilized or the females went on the Pill, which led to a decline in the population.

Im Laufe der letzten Dekade ist die Zahl der Eisbären in den nordamerikanischen Zoos jedes Jahr um etwa 4 % gesunken, während der Wunsch nach neuen Eisbären von den Zoos gestiegen ist, aber nicht mehr erfüllt werden kann. Heute gibt es noch 73 Eisbären in den nordamerikanischen Zoos.

Over the last decade, the number of polar bears in North American zoos has dropped about 4% each year, while the desire for new polar bears in zoos has risen and cannot be met. Today there are 73 polar bears in North American Zoos.

Seit dem Jahr 2000 gibt es mit dem Populations-Management-Plan (PMP) koordinierte Bemühungen eine sich selbsterhaltende Eisbärenpopulation in den Zoos in den USA zu etablieren. Seit 2003 wird die Haltung der Eisbären in den USA durch den Species-Survival-Plan (SSP) koordiniert. Bisher haben diese Maßnahmen allerdings keine Erfolge erzielt. Auch die Empfehlung jede potentiell zuchtfähige Eisbärin decken zu lassen aus dem Jahr 2008 hat nicht zu einer Umkehrung des Trends geführt. Die Wissenschaftler befürchten, dass die Eisbärenpopulation in den US Zoos bereits so stark gesunken ist, dass sie, ohne Eisbären aus anderen Ländern oder Wildfänge hinzufügen, sich nicht mehr selbst erhalten kann, was allerdings aufgrund der Gesetze in den USA ohne Ausnahmegenehmigungen nicht möglich ist.

Since 2000, there has been a coordinated Populations Management Plan (PMP) in an effort to establish a self-sustaining  polar bear population in US zoos.  Since 2003, the keeping of polar bears has been coordinated with the Species Survival Plan (SSP).  So far, these measures have not been successful.  Efforts to breed every potentially breedable bear has not led to a reversal in the trend.  Scientists have concluded that the population in US zoos has already fallen so far that, without polar bears from other countries or from the wild, it will not be sustainable, which is not possible in the USA, due to federation legislation and without exemption at present.

Nun ist unser Blickwinkel auf die Eisbären, die in Zoos gehalten werden, ein etwas anderer. Wir leben in Europa und verfolgen so natürlich eher die Entwicklung der Eisbärenpopulation in unseren Zoos. Außerdem unterscheidet sich die Situation in Europa von der in den USA. Auch hier ist die Zahl der Zoos, die Eisbären halten, und damit auch die Anzahl der in Zoos gehaltenen Eisbären seit 1980 gesunken und als Folge werden weniger Jungtiere geboren als z. B. in den 80 er und 90 er Jahren des 20. Jh., doch da heute mehr Jungtiere überleben, ist die Zahl der überlebenden Jungtiere prozentual weniger zurück gegangen und es scheint durchaus möglich, dass in der Zukunft genügend Jungtiere in Zoos geboren werden werden, damit die Gesamtzahl aller Tiere stabil und die Variabilität des Genpools erhalten bleibt.

Our perspective on zoo polar bears is somewhat different. We live in Europe, and more likely trace the development of the polar bear population in our zoos. Furthermore the situation in Europe is much different from that in the USA. Here, the numbers of zoos that keep polar bears, as well as the overall numbers of those that live in zoos has fallen since 1980, too and so the number of cubs born was lower than in the 1980s or 1990s. But today more cubs survive, so it seems possible that in the future enough polar bears will be born, to keep the numbers up and the variability of the gene pool stable.  

Mein Motiv ist die Neugierde, ob die Berechnung auch das bestätigen, was die Erfahrungen der einzelnen Eisbärenhalter und manche gefühlsmäßige Einschätzung nahe legen.

My motive is simply curiosity, to see if statistical calculations approve the suggestions of the experiences of individual polar bear holders and some instinctive estimates . 

Aber es geht ja um Statistik, kommen wir also nun zu ein paar Zahlen.

But the issue is statistic, so let us begin with some numbers.

Die amerikanische Studie hat die Daten von 697 Eisbärenjungtiere, die zwischen 1912 und 2010 in 56 Institutionen in Nordamerika geboren wurden, analysiert. Davon waren 239 Männchen, 246 Weibchen und 212 unbekannten Geschlechts. 687 Individuen wurden 456 Würfen zugeordnet basierend auf den Informationen über ihre Eltern und das Geburtsdatum. Der Mittelwert der Würfe pro Jahr betrug 4,60 Würfe, mit einem Median von 3 Würfen, einem Modalwert von 1 Wurf und einer Spannweite von 0 bis 18 Würfen.

The American study analyses 697 cubs, born between 1912-2010 in 56 North American institutions. Of these, 239 were males, 246 females, and 212 of unknown gender. 687 individuals from 456 litters were included, based on the information of the parents and knowledge of the birthdate. The average annual number of births was 4.6, with a median of three births, a mode of a single cub, and a span of 0-18 litters.

Zur Erklärung:

  • Der Median ist der Wert, der in einer nach Größe geordneten Liste der einzelnen Werte in der Mitte steht, also bei z. B. 99 Daten der 50. Wert. Der Median von 3 Würfen bedeutet also, dass in der Hälfte der 99 Jahre mindestens 3 Eisbärinnen Junge zur Welt brachten und ebenso höchstens 3 Eisbärinnen.
  • Der Modalwert ist der Wert, der am häufigsten auftritt. Der Modalwert von 1 bedeutet also, dass in Nordamerika in den 99 Jahren am häufigsten nur eine Eisbärin Jungtiere zur Welt gebracht hat.

To clarify:

  • The median is the value, that lies in the middle an ascending list of the values, so for example, in a list of 99 items, the fiftieth is the median. The median of three litters therefore means, that in half the 99 years, at least three polar bear females gave birth and also that in the other half less than three polar bear females had cubs.
  • The mode is the value, that turns up most often. A mode of 1 therefore means that in North America, in most of these 99 years, only one female gave birth to cubs.

Meine Auswertung umfasst einen deutlich geringeren Zeitraum. Allein aus Zeitgründen habe ich mich auf die Daten aus den Jahre von 1990 bis 2014 auf Basis des internationalen Zuchtbuches und Informationen aus dem Zoos aus den letzten Jahren beschränkt. Deshalb sind meine Zahlen nur bedingt mit denen der amerikanischen Analyse vergleichbar.

My analysis covers a shorter period. I have confined myself to the years 1990-2014, based on the international studbook and information from zoos for recent years; therefore, my numbers are not fully compatible with those of the American study.

Meine Ergebnisse basieren auf den Daten von 621 Eisbären, die zwischen 1990 und 2014 in 99 zoologischen Einrichtungen auf der Welt geboren wurden. Sie sind wie folgt verteilt:

My findings are based on information of 620 polar bears, that were born in 99 zoological institutions around the world. They are distributed as follows:

Statistik Jungtiere - Geschlecht

Institutionen

Institutions

Jungtiere

Cubs

Europa (ohne Russland) – Europe (not including  Russia)

45

323
Russland – Russia

8

69
Nordamerika – North America

26

146
Südamerika – South America

1

5
Asien – Asia

18

76
Australien – Australia

1

2

 

Davon waren 246 Männchen, 197 Weibchen und von 178 Jungtieren war das Geschlecht unbekannt. Ich konnte alle Jungtiere aufgrund ihres Geburtsdatums, dem Namen der Mütter oder der Einrichtung insgesamt 390 Würfen zuordnen. Der Mittelwert der Würfe betrug 15,60 Würfen pro Jahr, mit einem Median und Modalwert von 13 Würfen und einer Spannweite von 8 Würfen im Jahr 2008 bis zu 28 Würfen im Jahr 1995.

There were 246 males, 197 females, and 178 cubs of unknown gender. I was able to verify each cub on the grounds of their birth date, the name of their mother, or the reconstruction of the 390 litters. The average number of litters came in at 15.6 per year, with a median and mode of thirteen births, and a range of eight in 2008 to 28 in 1995.

Foto: Polarbearmaniac

Foto: Polarbearmaniac

Betrachtet man nur die 207 Würfe in europäischen Zoos (ohne Russland) gab es im Mittel 8,28 Würfe pro Jahr. Der Median und der Modalwert beträgt 7 Würfe. Die Spannweite liegt zwischen 4 Würfen (in den Jahren 2006 und 2009) bis 18 Würfen (1991).

Considering the 207 births in European zoos (minus Russia), there was an average of 8.25 births per years. The median and the mode are seven births. The range lay between 4 births (in 2006 and 2009) to 18 births (1991).

In den Jahren 2005 – 2014 lang die Anzahl der Würfe in den europäischen Zoos (ohne Russland) zwischen 4 und 10 Würfen, mit einem Mittelwert von 6,4 Würfen. Am häufigsten waren 7 Würfe, der Median war 6,5 Würfe. Wenn diese Werte so nahe bei einander liegen spricht das für eine stabile Entwicklung.

In 2005-14, the number of births in European Zoos (minus Russia) ranged from 4-10 births, with a median of 6.4 births. Most common was seven births, and the median was 6.5 births. If these values lie so close, it speaks of stable development.

Also wurden im Winter 2015/2016 mit 11 Würfen tatsächlich unterdurchschnittliche viele Jungtiere geboren. Für Nordamerika ist es mit 3 Würfen ein „gutes“, für Europa mit 4 Würfen eher ein „schlechtes“ Jahr. Aber aus dem Rahmen fällt das Jahr nicht.

During the winter of 2015-16, for North America three litters is good; for Europe just four litters is not so good.  But this year isn’t unusual.

Und zum Schluss dieses Kapitels, damit die ganze Sache nicht ganz so zahlenlastig bleibt: Der erste Eisbär, der in dem Zeitraum zwischen 1990 und 2014 geboren wurde, war Lady Smilla am 16. November 1990 in Budapest. Ihr Foto ist das erste oben links im Artikel. Der letzte Eisbär, der in den 25 von mir betrachteten Jahren auf die Welt kam, ist Lira in Sapporo, deren Geburtstag der 21. Dezember 2014 ist. Ihr Foto ist konsequenterweise das letzte. Es sind ganz zufällig zwei Weibchen, die meine Berechnungen einrahmen, dabei sind es eher die Männchen, die mir seit ich mit der „Statisterei“ angefangen habe, Kopfschmerzen bereiten. Aber davon mehr im nächsten Kapitel.

And so at the close of this part, a big thing doesn’t look so big after all.  The first polar bear born in the period 1990-2014, was Lady Smilla on November 16, 1990 in Budapest.  On the left, her photo opens this article.  The last polar bear in the period I’ve chosen is Lira in Sapporo, whose birthday was December 21, 2014.  So her photo is the last.  Two females define the edges of my study, while it’s the male cubs that caused trouble with the statistics.  More about that in Part 3.

Quelle – Source:

Reproductive trends of captive polar bears in North American zoos: a historical analysis

3 Antworten zu “Statistik – Kapitel 2: Motive und ein paar grundlegende Daten.

  1. hallo ulli,
    von mir auch ein großes WOW für die ganze hochinformative arbeit !
    ich wundere mich warum es statistisch so viele eisbärbabys unbekannten geschlechts in den zoos gibt ?

    und das alter der gebärfähigen eisbären spielt ja auch eine rolle,wahrscheinlich sind in den usa.zoos viele zu schon zu alt,oder es gibt nicht genug für eine gesunde zucht.
    bin gespannt auf die fortsetzung deiner recherche 🙂
    liebe grüße
    martina

  2. Wow Ulli!
    Was für eine tolle Arbeit und Recherche.
    Ich mag Zahlen und bei den Eisbären finde ich sie richtig spannend.
    Merci und viele Grüße
    Manuela

  3. Großes Kompliment!
    Und ein großes Dankeschön für diese enorme Arbeit, Ulli!
    Liebe Grüße
    Brigitte

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