40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil V

Russland – Jagdverbot und Wildererei

Foto: Misha Maslennikov

Foto: Misha Maslennikov

Im Norden Russlands leben Dutzende indigener Völker unter ihnen die Nenzen, Dolganen, Ewenken, Ewenen und Tschuktschen, insgesamt etwa 90.000 Menschen. Íhre Kultur und traditionelle Lebensweise wurde zu Zeiten der Sowjetunion unterdrückt. Sie wurden gezwungen sesshaft zu werden, mussten Russisch lernen und in staatseigenen Betrieben arbeiten. Ihre Kinder wurden oft in Internaten erzogen, weit weg von ihren Eltern, auch wenn diese einen festen Wohnsitz hatten. Wenn sie mit 16 Jahren wieder nach Hause kamen, hatten  sie ihre kulturellen Wurzeln verloren. Mit dem Ende der Sowjetunion wurde es leichter für sie, sich für ihre Rechte einzusetzen, doch das bedeutet nicht, dass sich ihre Lebensverhältnisse wirklich verbessert haben. In den letzten Jahren zeigen Reformen, dass es einen Willen gibt, den indigenen Minderheiten Gebietsansprüche und eine gewisse Autonomie zuzugestehen und ihre Sprachen und Traditionen zu erhalten. Aber in der Praxis wird dies in den entlegenen Gebieten oft durch verfilzte Strukturen und die allgemein schwierige Wirtschaftslage erschwert. Vielerorts findet man korrupte Politiker und Mafiagruppen und das Militär können ungestraft nach eigenem Gutdünken handeln. In den meisten Gebieten der russischen Arktis sind die indigenen Völker in der Minderheit, sodass es nicht leicht für sie ist ihre Interessen durchzusetzen.

Wenn sie sich öffentlich für die Umwelt einsetzen, werden sie manchmal von der russischen Zentralregierung ausgebremst, vor allem wenn Protest gegen die Pläne der Ölindustrie geäußert wird. So hatte sich im August 2012 RAIPON, die größte Organisation indigener Völker in Norden Russland, zusammen mit anderen Vertretern indigener Völker auf einer von Greenpeace organisierten Konferenz klar gegen Ölbohrungen in der russischen Arktis ausgesprochen.  Einen Tag vor Beginn des Treffens des Arktischen Rates in Schweden, das im November 2012 stattfand, ordnete die russische Regierung dann die Schließung von RAIPON an. (Der Arktische Rat ist ein zwischenstaatliches Forum, das zum Interessenausgleich zwischen den arktischen Anrainerstaaten und den indigenen Völkern im Jahr 1996 gegründet wurde.) Begründet wurde diese Schließung mit angeblichen Widersprüchen in der Satzung der Organisation, einer Satzung, mit der die Organisation seit ihrer Gründung 1990 22 Jahre lang ohne Beanstandung gearbeitet hatte. Nach internationalen Protesten erlaubten die Behörden im März 2013 der Organisation wieder ihre Tätigkeiten aufzunehmen.

Yamal-Nenzen - Akuka Krakozyabrik

Foto: Landschaft im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen von Akuka Krakozyabrik

Rund 40.000 Nenzen leben entlang der Küsten der  Barents- und Karasee, die meisten von ihnen im Autonomen Kreis der Nenzen (7.500 Nenzen), der zu dem Oblast Oblast Archangelsk gehört, im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen (29.772 Nenzen) und im ehemaligen Autonomen Kreis Taimyr (3.054 Nenzen), der 2005 zusammen mit dem Autonomen Kreis der Ewenken mit der Region Krasnojarsk vereinigt wurde. Die Nenzen sind traditionell Rentierzüchter, Fischer und Jäger. Von allen indigenen Völkern Westsibiriens haben sie am erfolgreichsten ihre traditionelle Lebensweise, Sprache und Kultur bewahren können. Etwa 75 % sprechen noch ihre Muttersprache. Ein Teil von ihnen hat seine gegen alle Widerstände seine vollnomadische Lebensweise bewahrt.

Foto: netvoya madam

Foto: netvoya madam

Auf der Taimyrhalbinsel, die zwischen Kara- und Laptewsee liegt, leben etwa 4000 indigene Dolganen und Nganasanen, die dort traditionell jagen, fischen und Rentiere züchten.

In den fünf Verwaltungsbezirken, Ulus, an der Küste der Republik Sacha (Jakutien) an der Laptewsee und der Ostsibirische See leben knapp 30.000 Menschen, etwa 2,9 % stellen die Dolganen, 9,3 % Evenken, 13,4 % Ewenen und 1,5 % Jukagiren. Die Mehrheit der Bevölkerung stellen hier mit 31,4 % die Jakuten.

Die Mehrzahl der 15.000 Tschuktschen lebt im Autonomen Kreis der Tschuktschen auf der Tschuktschen-Halbinsel (Tschukotka). Einige leben aber auch in angrenzenden Gebieten. Traditionell leben die Inlands-Tschuktschen in der Tundra von der Rentierzucht mit großen Rentierherden, der Jagd und dem Fischfang. Die an der Küste des Nordpolarmeeres und der Beringstraße lebenden Tschuktschen („Meerestschuktschen“) betreiben auch Jagd auf Meeressäuger wie Wale und Walrosse. An dieser Küste leben auch rund 1.500 Sibirische Yupik und Naukan.

In der russischen Arktis gibt es sechs Sapowedniki, besonders streng geschützte Naturschutzgebiete. Innerhalb der Grenzen eines Sapoweniks ist keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit zugelassen, die den Zweckbestimmungen des Sapowedniks widerspricht oder eine Bedrohung mit schädlichen Einflüssen auf die natürlichen Prozesse darstellt. Daher ist das Betreten der Kernzone eines Sapowedniks grundsätzlich verboten. Lediglich für Wissenschaftler oder betuchte Touristen (die sich offiziell an wissenschaftlichen Studien beteiligen) gibt es in sehr beschränktem Umfang Ausnahmegenehmigungen. Die Kernzone eines Sapowedniks wird in der Regel von einer Pufferzone umgeben, in der eine eingeschränkte Landnutzung gestattet ist.

Eisbär Wrangel Insel - barlena08

Foto: Eisbär auf der Wrangelinsel von Barlena08

  • Im Autonomen Kreis der Nenzen liegt im Mündungsgebiet des Petschora (Fluss) und auf den vorgelagerte Inseln das Nenetsky Reservat. Es wurde 1997 geschaffen und hat eine Fläche von 2.692 km². Die Inseln werden von Eisbären besucht
  • Weiter östlich im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen findet man auf der Gydan-Halbinsel das 1996 eingerichtete Gyda Reservat, das fast 8.800 km² groß ist. Die Küstenzone der Halbinsel wird häufig von Eisbären besucht, aber in den letzten 10 Jahren wurden hier keine Geburtshöhlen gefunden.
  • Das größte der sechs Naturschutzgebiete ist das Große Arktisches Reservat in der Region Krasnojarsk, das ein Viertel der Fläche Taimyrhalbinsel und zahlreiche Insel in der Karasee umfasst. Es wurde 1993 gegründet und bedeckt 41.692 km² Land und Meer. Seine Entstehung verdankt das Große Arktische Reservat einer Kooperation des WWF Deutschlands mit der Sowjetische Akademie der Wissenschaften. Am am 15. November 1989 wurde in Frankfurt ein Vertrag unterschrieben, der nach vier Jahren wissenschaftlicher Vorarbeit und zwei  Expeditionen des WWF schließlich zu der Gründung des Naturschutzgebietes führte. Auf den Inseln in der Karasee und rund um Dikson und an der gesamten Küstenzone der Taimyrhalbinsel leben Eisbären.
  • Außerdem gibt es auf der Halbinsel noch  das Taimyrsky Reservat, das 1979 entstanden ist und  eine Fläche von 27.503 km² hat. Seit 1995 ist es ein UNESCO Biosphären Reservat.
  • Das Lena Delta in Jakutien steht seit 1985 unter Naturschutz.  Das Ust-Lenski-Naturreservat umfasst eine Fläche von rund 14.330 km².
  • Das Naturreservat Wrangelinsel wurde 1976 gegründet und gehört seit 2004 zum UNESCO Welterbe. Neben der Wrangelinsel gehört auch die etwa 135 km weiter nordöstlich liegende Heraldinsel zu dem 22.256 km² großen Naturreservat, das etwa 150 km nördlich von Tschukotka liegt. Die Wrangelinsel weist die höchste Dichte an Eisbärengeburtshöhlen auf der Welt auf.
Foto: Kurchanov

Foto: Kurchanov

Zusätzlich gibt es  in der russischen Arktis einen Nationalpark und verschiedene regionale und staatliche Naturschutzgebiete.

Im Jahr 2009 wurde im Oblast Archangelsk der Nationalpark Russische Arktis gegründet. Er hat eine Fläche von 14.260 km² und umfasst den nördlichen Teil des Archipels von Nowaja Semlja. Man erhofft sich in Russland mit der Gründung des National Parks auch einen Anstieg des Arktis Tourismus, der den Bewohnern der abgelegenen Küstenregion neue Verdienstmöglichkeiten bieten soll.

Gemeinsam mit diesem Nationalpark verwaltet die Nationalparkverwaltung auch das bereits 1994 geschaffene staatliche Naturschutzgebiet „Franz-Josef-Land“. Die Inselgruppe liegt etwa 370 km nördlich von Nowaja Semlja. Das Naturschutzgebiet ist etwa 42.000 km² groß und ein wichtiges Aufzuchtgebiet von Eisbären.

Der regionale Beringia Park in äußersten Nordosten von Tschukotka wurde 1993 gegründet und ist 75.447 km² groß. Bereits 1990 unterzeichneten Michail Gorbatschow und George H. W. Bush eine gemeinsame Erklärung über die Errichtung eines gemeinsamen Naturparks auf beiden Seiten der Beringstraße. 2010 wurde diese Initiative aus der Zeit der Sowjetunion wieder aufgegriffen und im Januar 2013 unterzeichnete der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew das Dekret über die Schaffung des Nationalparks. In dem Gebiet des bereits bestehenden regionalen Naturparks soll in Russland ein neuer staatlicher Nationalpark entstehen. Er soll über 15.000 km² der Tschukotka-Halbinsel und über 3.000 km ² des Beringmeers umfassen.

Bereits seit 1956 stehen Eisbären in Russland vollständig unter Schutz. Die einzig erlaubte Ausnahme ist das Einfangen von Jungtieren für Zoos und Zirkusse. Außerdem ist die Tötung eines Eisbären aus Notwehr erlaubt, wenn menschliche Siedlungen gefährdet sind und für wissenschaftliche Zwecke. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, diesen Schutz in allen russischen Arktisgebieten wirklich durchzusetzen.

Foto: Andrey

Foto: Andrey

Immer wieder wird davon berichtet, dass in Russland eine beachtliche Zahl Eisbären illegal von Wilderen getötet wird. Besonders problematisch ist dies im Nordosten Russlands in Tschukotka. Doch auch in anderen Gebieten hat man konkrete Anzeichen gefunden, die nahe legen, dass dort Eisbären gewildert werden. So wurde in den letzten Jahren neben drei Wilderer Camps in Tschukotka auch ein Wildererlager in der Nachbarschaft des Hafens Dikson, im ehemaligen Autonomen Kreis Taimyr an der Küste der Karasee, entdeckt. Ihren Höhepunkt hat die Wilderei vermutlich in der Zeit während der Auflösung der Sowjetunion erreicht, verursacht durch die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen dieser Jahre.

Von 1992 an scheint die Zahl der illegal getöteten Eisbären stark angestiegen zu sein, als Antwort auf die weit verbreitete Nahrungsmittelknappheit. Die Eisbären wurden zunächst in erster Linie des Fleisches wegen getötet. Doch es sieht so aus, dass in den folgenden Jahren ein schwarzer Markt für den Kauf und den Verkauf von Eisbärenfellen entstand und aus der Wilderei eine kommerzielle Operation wurde. Die wachsende Nachfrage nach Eisbärenfellen und die damit ansteigenden Preise, die dafür erzielt werden können, ließen vermutlich auch die Zahl der getöteten Eisbären ansteigen.

Anatoly A. Kochnev, ein hochrangiger Wissenschaftler der Forschungsstätte für Meeressäuger des Tschukotka Fischerei Forschungsinstituts hat aufgrund einer Befragung von Bewohnern verschiedener Gemeinden in Tschukotka eine Schätzung über die Zahl der illegal getöteten Eisbären durchgeführt. Er schätzt, dass von 1999 bis 2003 zwischen 180 und 284 Eisbären pro Jahr gewildert wurden. Etwa 65 % dieser Eisbären wurden von einheimischen Jägern getötet, die an den Küsten entlang der Tschuktschensee und der De-Long-Straße, die die Wrangelinsel vom Festland trennt, wohnen.

Es gab auch in früheren Jahren Berichte von einer Jagd auf Eisbären auf einem niedrigen Niveau durch indigene Jäger in Tschukotka , die nahelegen, dass die Jagd auf Eisbären historisch zur Tradition der Tschuktschen und Yupik gehört hat. Gegen eine solche Tradition spricht allerdings, dass als die Jäger in Tschukotka vom Jahr 1975 ab eine Jagderlaubnis für Eisbären hätten beantragen können, die ihnen damals aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem indigenen Volk zugestanden hätte, niemand in Tschukotka eine solche verlangt hat. Damals war die Versorgung der abgelegenen Regionen mit Nahrungsmitteln gesichert und der Fellhandeln durch staatliche Behörden streng reglementiert.

Eisbären auf der Wrangelinsel von Nikolay

Eisbären auf der Wrangelinsel von Nikolay

Russische Offizielle schätzen, dass bis heute jedes Jahr etwa 100 Eisbären wegen ihres Fleisches und des Felles gewildert werden. Mitarbeiter des WWF Russlands gehen von um die 200 Eisbären aus. Nur ein Teil davon wird von einheimischen Jägern erlegt. Es gibt wohl auch organisierte Kriminelle, die  Eisbären wildern und mit gefälschten Zertifikaten die Felle veräußern.  Es kursieren Geschichten über kommerzielle Trophäenjagden in Tschukotka und an der Karasee, die als Fotosafaris getarnt werden, bei denen die Kunden an einer traditionellen Jagd auf Wildtiere teilnehmen können. Der WWF Russland hat 2004 eine Internetrecherche durchgeführt und dabei einige Webseiten gefunden, die  sogar offen Eisbärenjagden für Touristen in Russland anboten.

Trotz der Bedenken wegen der Wilderei in Russland sind in den vergangenen dreißig Jahren (1992 – 2012) nur zwei Verfahren vor einem Gericht verhandelt worden. Bei einer Gerichtsverhandlung am 2. August 2006 wurde ein Bewohner der Siedlung Dikson in Region Krasnojarsk für schuldig befunden fünf Eisbären Mai 2004 illegal gejagt zu haben. Der Mann wurde zu einer Geldstrafe von 50.000 Rubeln (1.140 €) und Haftstrafe von zwei Jahren mit anschließend zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Im Jahr 2007 wurden zwei Männer durch das Gericht des Schmidtovsky Bezirks für schuldig befunden, in der autonomen Region Tschukotka drei Eisbären gewildert zu haben. Beide Männer wurden zu einer Geldstrage von 67.000 Rubel (1.530 €) verteilt, zusätzlich mussten sie 1.494 Rubel (34 €) in die Staatskasse zahlen und erhielten jeder eine Freiheitsstrafe. Der eine erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr mit einer Bewährungszeit von 2 Jahren, der andere eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer Bewährungszeit von 2 ½ Jahren.

Im Jahr 2013 wurden die Strafen, mit denen die illegale Tötung von Eisbären geahndet wird, drastisch erhöht. Es drohen nun bis zu sieben Jahre Gefängnis und Geldbußen von bis zu einer Million Rubel (22.500 €) und nicht nur der Jäger auch derjenige, der mit Fellen illegal getöteter Tiere handelt, macht sich strafbar und kann hart bestraft werden. Doch was nützt das, wenn am Ende kaum einer der Wilderer auch vor Gericht  gestellt wird. Es mutet schon seltsam an, dass in einem Staat, wo in westlichen Augen weniger schwerwiegende Verstöße gegen das Recht mit großer Härte bestraft werden, von staatlicher Seite scheinbar nichts gegen die Wilderei unternommen wird. Doch das ist in den abgelegen Gebieten der Arktis einfach gesagt. Ein Bezirksinspektor ist häufig für ein Gebiet zuständig, dass so groß ist wie ein mittelgroßes Bundesland in Deutschland.

Foto: Novoye Chaplino, Küstensiedlung in Tschukotka

Novoye Chaplino, Küstensiedlung in Tschukotka von Магадан

Die Bär Patrouillen des WWF Russlands versuchen die ansässigen Menschen zu informieren, wie wichtig der Schutz der Eisbären ist, und ihnen zu helfen, Konflikte mit Eisbären zu vermeiden, die den menschlichen Siedlungen zu nahe kommen. Durch die Einbeziehung der ansässigen Bevölkerung soll auch die Wilderei bekämpft werden. Bei ihren Kontrollen finden sie immer wieder Spuren der Wilderei, nicht nur auf der Tschuktschen-Halbinsel. Auf der Waigatsch Insel, im Autonomen Bezirk der Nenzen, entdeckte eine Bär Patrouille im August 2012, drei Eisbärenschädel. Die Tiere wurden vermutlich von Wilderen getötet, obwohl auf der Insel ein regionales Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Viktor Nikiforov, der Leiter der Eisbären Patrouillen des WWF Russlands, äußerte, dass man noch aktiver mit der lokalen Bevölkerung arbeiten müsse, um dagegen vorgehen zu können.

Ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und Russland, das Alaska-Chukotka Agreement, aus dem Jahr 2000 sah eine niedrige Jagdquote für die Tschuktschen und Yupik in Russland und die Inupiaq und Yupik in Alaska vor. Die Höhe dieser Quote sollte in Verhandlungen bestimmt werden.  Doch zunächst mussten Studien über den Zustand der Eisbärenpopulation in der Tschuktschensee und dem Beringmeer durchgeführt werden. Finanziert wurden diese Untersuchungen von den USA. Das Abkommen trat 2007 in Kraft. In September 2009 fand das erste Treffen einer Kommission in Moskau statt, die aus vier Mitgliedern bestand, je ein Vertreter des russischen und amerikanischen Staates und je einer der jeweiligen indigenen Bevölkerung.

Danach arbeitet zunächst eine Gruppe von Wissenschaftlern beider Seiten Vorschläge aus, die der Kommission später zur Entscheidung vorgelegt werden sollten. Unterschiedlicher hätte die Herangehensweise an den Artenschutz kaum sein können. Während es der indigenen Bevölkerung in Alaska, die an der Küste heimisch war, erlaubt war ohne Beschränkungen Eisbären zu jagen, war es den Tschuktschen und Yupik in Tschukotka vollständig verboten. Für die Inupiaq und Yupik in Alaska bedeutete die Einführung einer Quote eine Einschränkung, während sie für die indigenen Jäger in Tschukotka eine begrenzte Legalisierung der Jagd war.

Eisbär auf Franz-Josef-Land von S. Lavado

Eisbär auf Franz-Josef-Land von S. Lavado

Die russischen Wissenschaftler äußerten ihre Besorgnis über den Zustand der Eisbärenpopulation und wünschten sich ein Moratorium für ein bis drei Jahren, einen Zeitraum, in dem keine Eisbären getötet werden sollten, um mehr Zeit für weitere Studien zu gewinnen, um mehr über die Anzahl der Eisbären in dem Gebiet zu erfahren. Die Amerikaner wollten eine niedrige Quote festlegen, auch um den amerikanischen Steuerzahlern, die schon eine ganze Zeit Studien finanziert hatten, ein Ergebnis zu liefern. So wurden am Ende zwei Vorschläge der Kommission auf einem Treffen im Juni 2010 in Anchorage vorgelegt. Der erste schlug das Moratorium vor, der zweite eine Quote von 45 Eisbären pro Jahr, die zwischen Alaska und Tschukotka aufgeteilt werden sollte.

Das Treffen verlief dann anders als es sich die Wissenschaftler gedacht hatten. Die amerikanische Seite unterstützte den zweiten Vorschlag, der die Quote vorsah. Doch die Vertreter der indigenen Jäger verkündeten am letzten Tag des Treffens, dass eine Quote von 45 Eisbären pro Jahr viel zu niedrig sei und forderten eine Quote von 68 Eisbären. Nach einigen Diskussionen ließen sie sich auf eine Quote von 58 Eisbären ein, von denen 29 für Alaska und 29 für Tschukotka gelten sollten. Die Wissenschaftler aus den USA hielten auch diese Quote noch für gerechtfertigt, wenn man unterstellte, dass die Eisbärenpopulation ein Wachstum von 6% aufwies. Den russischen Vertretern der staatlichen Seite blieb nichts anders übrig als den Vorschlag anzunehmen.

Was einige russischen Wissenschaftler von dieser Regelung halten, drückte Nikita Ovsyanikov, ein Mitglied der Polar Bear Specialist Group der IUCN und stellvertretender Direktor für Forschung des staatlichen Wrangelinsel Naturreservats, in einem leidenschaftlichen Appell aus, den man auf der Internetseite nachlesen kann, die die staatlichen Arterhaltungsprogramme Russlands vorstellt. Er betont seine Sorge, dass jegliche Legalisierung der Jagd auf der Tschuktschen-Halbinsel, die Eisbärenpopulation der in Tschuktschensee und Beringmeer ernsthaft schädigen würde, so lange nicht das Problem der Wilderei gelöst sei. In seinen Augen haben die Vertreter der Jäger Organisation der Tschuktschen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht beabsichtigen sich aktiv an einer Bekämpfung der Wilderei zu beteiligen. Für ihn gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Eisbärenpopulation in diesem Gebiet stabil sei oder gar dabei sei sich zu erholen. Im Gegenteil, es gebe deutliche Anzeichen, dass die Zahl der Eisbären weiter sinke. So habe sich die Zahl der von Eisbärinnen genutzten Geburtshöhlen, von 350 bis 400 zu Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. auf nur noch 60 bis 70 in den letzten Jahren gesunken.

Foto: novomirivich

Foto: novomirivich

Es gab allerdings auch russische Wissenschaftler, die eine andere Position einnahmen, und das Abkommen zwischen den USA und Russland verteidigten. Stanislav Belikov, ebenfalls ein Mitglied der Polar Bear Specialist Group der IUCN und ein leitender Wissenschaftler des russischen Forschungsanstalt für Naturschutz, betonte die Bedeutung der Subsistienzjagd für die Tschuktschen und den wichtigen Beitrag der lokalen Bevölkerung, die sich an den Bärenpatrouillen beteiligt, zum Erhalt der Eisbären und der Bekämpfung der Wilderei. Maßnahmen in anderen Ländern hätten gezeigt, dass eine Zusammenarbeit mit der indigenen Bevölkerung eher illegale Jagd verhindern könne als Androhung von Strafen. Auch der WWF Russland stand eine Quotenregelung in Tschukotka nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, forderte aber, dass zunächst sicher gestellt sein müsse, dass die Einhaltung dieser Quote auch von den Behörden wirkungsvoll überwacht werde. Dazu müssten zuerst Strukturen geschaffen werden. Alle aber sind einig darin, dass mehr Forschung notwendig ist, um genauere Erkenntnisse über Zahl und Zustand der Eisbären in der russischen Arktis zu erhalten.

Am Ende entschied die russische Regierung im August 2011, den Tschuktschen keine Quote zu erlauben.

Wie viele Eisbären es in Russland gibt ist unbekannt, da man nur wenig über die Eisbärenpopulationen der Laptewsee, der Karasee und der Tschuktschensee weiß.  Die Eisbärenpopulation der Barentssee, die zwischen Franz-Josef-Land und Svalbord leben hat sch seit den 70er Jahren des 20. Jh. erholt und hat heute wieder etwa 3000 Tiere.

Quellen – Sources:

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Indigenous people in the Artic
Indigene Völker im Norden Russlands und Sibiriens

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40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil I
40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil II
40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil III
40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil IV
40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil V
40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil VI

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