Als die Eisbären durch die Straßen von Tromsø spazierten.

The days when a polar bear strolled the streets of Tromsø

Heutzutage trifft man in Tromsø hoch im Norden Norwegens nur noch auf ausgestopfte Eisbären. Nicht nur in Tromsøs Polar Museum, auch mitten in der Fußgängerzone steht ein ausgestopfter Eisbär vor einem Andenkenladen, er ist seit langer Zeit ein beliebtes Fotomodell, wie historische Fotos beweisen.

These days when we go to Tromsø, in the far North of Norway, we only see stuffed polar bears.  Not only at Tromsø’s Polar Museum, but in the middle of the sidewalk, a stuffed polar bear stands in front of a souvenir shop.  He has long been a popular fashion model, as shown in historical photos.

Doch bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. hinein konnte man mitten in Tromsø auch schon einmal einem lebendigen Eisbären begegnen. Erst mit der Verabscheidung des Internationalen Abkommens zum Schutz der Eisbären, das die fünf Nationen mit den größten Eisbärenpopulationen – Kanada, Dänemark (Grönland), Norwegen, die USA und die UDSSR – am 15. November 1973 in Oslo unterzeichneten, war es damit vorbei. Es verbot die unregulierte Jagd auf Eisbären und die Jagd vom Flugzeug, Hubschrauber oder Eisbrecher aus, die in den 60 er bis 70 er Jahren des 20. Jh. die Anzahl der Eisbären deutlich reduziert hatte. Davor war auch auf Spitzbergen die Jagd auf die weißen Bären eine ganz normale Möglichkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. (Heute sind in Norwegen die Eisbären streng geschützt und dürfen nur getötet werden, wenn Menschenleben in Gefahr sind. Jede Tötung eines Eisbären wird automatisch von der Staatsanwaltschaft untersucht.)

But until the second half of the 20th Century, you could also meet a live polar bear in the middle of Tromsø.  Only with the Agreement on Conservation of Polar Bears, signed in Oslo in 1973, the five polar bear countries – Canada, Denmark (Greenland), Norway, the USA, and Russia – did the hunting stop.  It banned unregulated hunting of polar bears, as well as hunting from aircraft, helicopters, or icebreakers, which in the 1960s had significantly reduced the polar bear population.  Prior to that on Spitsbergen, hunting polar bears was a normal means of making a living.  (Today in Norway, polar bears are strictly protected and may only be killed when human lives are at risk.)

Die Jungtiere waren eine leichte Beute für die Jäger, nachdem sie ihre Mütter erschossen hatten, und die europäischen Zoologischen Gärten waren gerne bereit die eingefangenen Eisbärenwaisen aufzukaufen und sorgten so für ein lukratives Zusatzeinkommen der Jäger. Wenn sie von ihren monatelangen Jagdreisen zurückkamen, hatten sie oft Eisbärenjungtiere dabei und so war es gar nicht so ungewöhnlich in Tromsø einem Eisbären zu begegnen, der an der Leine spazieren geführt wurde. Ich will hier die Geschichte eines dieser Eisbären aus Tromsø erzählen.

After their mothers had been killed, the cubs were easy prey for hunters. European zoos were willing to buy up the orphan cubs, thus adding a lucrative second source of income for the hunters.  When they returned from their month-long hunting trips, they often had polar bear cubs with them, and it was not unusual to encounter a polar bear in Tromsø, being walked on a leash.  I want to tell the story of one of these polar bears.

Alte Walfangstation Bjørneborg auf Halvmåneøya heute (Foto: Kit Kovacs & Christian Lydersen / The Norwegian Polar Institute)

Im Winter 1946/1947 waren die Jäger Bjørvik Jacobsen, Odd Lono und Knut Bjåen zu der kleinen, unbewohnten Insel Halvmåneøya (Halbmond Insel) im Südosten von Edgeøya aufgebrochen, die zu der Inselgruppe Spitzbergen gehört, um Tiere zu jagen, deren Felle sie verkaufen wollten. Im Laufe des Winters fingen sie fünf junge Eisbären ein, die zusammen mit ihnen in der ehemaligen Walfangstation Bjørneborg an der Nordküste der Insel lebten. Sie gaben den Eisbären Namen, der größte wurde Maksimum (Maks) getauft, ein Zwillingspaar erhielt die Namen Knoll und Tott, eine kleine Bärin riefen sie Fia und der jüngste und ängstlichste Eisbär der Fünf wurde Sebedeus genannt. Der Kleinste, dessen Name schnell auf Sebben verkürzt wurde, stellte sich bald als der intelligenteste der Jungtiere heraus.

In the winter of 1946/47, hunters Bjørvik Jacobsen, Odd Lono, and Knut Bjåen went to small, uninhabited Halvmåneøya (CrescentIsland) in the Southeast of Edgeøya, in the Svalbard archipelago, in order to hunt animals for their pelts. During that winter they came across five polar bear cubs, who lived with them in the former whaling station Bjørneborg, on the north coast of the island.  They gave the little polar bears names.  The largest was called Maksimum (Maks), then a pair of twins named Knoll and Tott.  There was a small bear called Fia, and the youngest and most timid of the polar bear of the five was called Sebedius (Zebedee), quickly shorted to “Sebben”, because he soon proved to be the smartest of them all.

Die großen Hunde, die das Lager bewachten, hatten den kleinen Sebben als Opfer auserkoren und griffen ihn so heftig an, dass Bjørvik ihn ein paar Mal retten musste. Um den kleinen Bären nach seinem Abenteuer zu beruhigen, erhielt er von seinem Retter dann auch immer ein paar besondere Leckerbissen. So war es kein Wunder, dass Sebben bald Bjørvik auf Schritt und Tritt folgte. Er schlief sogar am Fußende seiner Koje. Der Jäger Bjørvik Jacobsen hatte die Mutterrolle für einen kleinen Eisbären übernommen.

The large dogs the hunters had brought, chose Sebben to pick on, and a couple of times Bjørvik had to rescue him.  To calm the little bear, he would give it a few special treats.  So it was no wonder that Sebben followed Bjørvik everywhere.  He slept at the end of his bunk.  The hunter Bjørvik Jacobsen had taken on the role of mother for the little polar bear.

Foto: Sebben in Tromsø (Lydevart Pettersen)

Bald begann Bjørvik damit Sebben zu trainieren. Zunächst versuchte er es mit „Ja“ und „Nein“, als das nicht gut funktionierte, ging er zu strengeren Methoden über, die aber auch nicht immer funktionierten, sodass er es manchmal mit einen recht gereizten Schüler zu tun hatte. Insgesamt erwies sich Sebben aber als ein kluger gelehriger Schüler, der schnell lernte.

Soon Bjørvik began to train Sebben.  First, he experimented with “Yes” and “No”, but when that didn’t work very well, he began to employ more forceful methods, which didn’t always work too, so it left him sometimes with a rather cranky pupil.  Overall, however, Sebben proved to be an apt student, who learned quickly.

Zunächst war das Training des kleinen Eisbären nur ein Zeitvertreib für den Jäger gewesen. Doch als er sah, wie schnell Sebben lernte, begann er ihm etwas Nützliches beizubringen. Er sollte lernen sich gegen die anderen Eisbären und die Hunde zu verteidigen, die alle größer waren als er und sich meist nicht sehr nett ihm gegenüber verhielten. Er brachte Sebben bei, den kleinsten der Hunde, wenn der lästig wurde, zu beißen. Der begriff dann schnell, dass es besser war auszureißen. Nachdem Sebben gelernt hatte, dass Angriff die beste Verteidigung war, konnte er sich bei den Hunden und den anderen Eisbären behaupten. Nur Maks musste man fernhalten. Er war launisch, sehr reizbar und fast doppelt so groß wie Sebben.

At first, training the cub was only a pastime for the hunter, but when he saw how quickly Sebben learned, he began to teach him useful things.  He needed to learn how to defend himself against the other polar bears and the dogs, all of which were bigger than he was and generally hostile.  He taught Sebben to bite the smallest dog, when it deviled the polar bear cub.  Soon the dog realized that it was even better to run off.  When Sebben had learned that the best defense was attack, he was able to compete with the dogs and the other polar bear cubs.  Only Maks continued to be a problem.  He was grumpy and irritable, as well as nearly twice the size of Sebben.

Die anderen jungen Eisbären wurden angebunden, wenn sie draußen waren, nur Sebben durfte frei herumlaufen. Er konnte die Hütte betreten und verlassen, wie er wollte. Aber bald entdeckten die Männer, dass ihr kleiner vierbeiniger Freund klaute. Immer wieder verschwanden Lebensmittel. Zunächst dachten sie, dass einer von ihnen Hunger gehabt und sich eine Zwischenmahlzeit gegönnt hätte. Doch bald waren sie sicher, dass Sebben sich selbst an den Nahrungsvorräten bediente, während sie schliefen.

The other young polar bears were tethered outside.  Only Sebben was allowed to wander freely.  He could come and go as he liked.  But soon they discovered that their little four-legged friend was a thief.  Food disappeared again and again.  At first they thought that it was a matter of one of them being hungry and having a snack.  But soon they were sure that Sebben explored the food stores while they slept. 

Eines Tages beschlossen sie, den kleinen Übertäter auf frischer Tat zu ertappen. Nach dem Abendessen kletterten sie wie jeden Tag in ihre Kojen und gaben vor zu schlafen. Ein extra lautes Schnarchen sollte Sebben in Sicherheit wiegen. Doch zunächst passierte nichts. Sie warteten ab. Dann plötzlich hörten sie, dass die Luftluke der Hütte geöffnet wurde. Sebben schlich lautlos in der Hütte hinein. In der Mitte des Raumes erhob er sich ein bisschen und drehte sich um. Er ließ sich Zeit. Er beobachtete die Männer genau, ob sie auch wirklich eingeschlafen waren. Erst als er sicher war, dass die Luft rein war, ging er in die Küche und verschwand hinter dem Vorhang, hinter dem die Vorräte lagerten. Als er kurz darauf mit einer Sirupflasche wieder auftauchte, die er sich mit einer Tatze an die Brust drückte, konnten die Männer in ihren Kojen nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken, während sie den durchtriebenen Dieb mit seiner Beute beobachteten. Sebben stapfte mit seiner Beute zur Tür, aber er hatte Mühe durch die enge Luke mit der Flasche an der Brust zu kriechen. Es musste irgendwie anders gehen. Er warf einen Blick zurück, ob die Männer noch immer schliefen, dann öffnete er die Tür und nahm glücklich und zufrieden seinen Sirup mit nach draußen. Die Männer ließen ihm reichlich Zeit, bis sie ihm folgten. Sie fanden ihn schließlich nicht weit von der Hütte entfernt schlafend. Neben ihm lag die leere Sirupflasche. Der Sirup war verloren, aber die Episode hatte für Unterhaltung im eintönigen Alltag der Jäger gesorgt.

One day they decided to catch the small offender in the act.  As they did every day, they climbed into their bunks and pretended to sleep.  Extra loud snoring should given Sebben a false sense of security.  At first, nothing happened.  They waited, then they heard the air flap in the being opened.  Sebben crept silently in.  In the middle of the room, he stood up and looked around.  He was taking his time.  He kept an eye on the men, making sure they were really asleep.  It was not until he was sure that the coast was clear that he went into the kitchen and disappeared behind the curtain where the supplies were stored.  When he reappeared shortly afterward with a bottle of syrup, holding it against his chest with his paws, the men in the bunks could barely suppress laughter as they watched the cunning thief with his booty.  Sebben trudged as far as the door with his treasure, but he had trouble getting through the narrow flap while holding the bottle to his breast.  It had to be done some other way.  He glanced back, to make sure that the men were still sleeping, then he opened the door and – happy and satisfied – went out with his syrup.  The men gave him plenty of time before they followed him.  They found him fast asleep not far from the cabin.  Beside him lay an empty bottle of syrup.  The syrup was lost, but the incident had provided a laugh in the monotonous life of the hunters.

Foto: Eisbären auf Spitzbergen im August 2011 von Kerry Ritz

Eine andere Eskapade von Sebben war weniger lustig, zumindest für Odd. Es war ein Tag im Juni.  Bjørvik und Knut saßen gut gelaunt bei einer Tasse Kaffee am Tisch. Odd hatte gerade seine Wäsche gewaschen. Eine mühevolle Aufgabe: Eis musste gesammelt und aufgetaut werden, das Wasser erhitzt werden, bevor die schmutzige Wäsche gewaschen und die Lauge ausgespült werden konnte. Nun hing die saubere Wäsche auf der Leine und flatterte im Wind. Odd war stolz auf seine Arbeit und prahlte bei den beiden anderen damit. Diese konnten seine Begeisterung aber kaum teilen, weil sie an ihre eigene Wäsche denken mussten, die auch darauf wartete gewaschen zu werden.

Another of Sebben’s escapades was less amusing, at least for Odd.  It was a June day.  Bjørvik and Knut were sitting at the table having an amicable cup of coffee.  Odd had just done his laundry.  It was a big job:  Ice had to be collected and thawed, then the water heated before the dirty laundry was washed and rinsed out.  Now the clean laundry was hanging on the clothesline, flapping in the wind.  Odd was pleased with his work and bragged to the other two.  They weren’t very interested in his enthusiasm because they had to think about their own laundry, waiting to be washed.

Sebben hingegen war ziemlich begeistert. Ihm gefielen die flatternden Gewänder. Herrliche Spielzeuge für einen kleinen Eisbären. Er zog sich zunächst ein Kleidungsstück vorsichtig nach unten, dann noch eins und noch eins. Am Ende lagen alle bis auf ein T-Shirt auf der Erde und waren ziemlich schmutzig.

Sebben, however, was quite keen.  He liked watching the fluttering garments.  They were wonderful toys to a small polar bear.  First he pulled one item down gently, then another and another.  In the end, all except a T-shirt were on the ground and again pretty dirty.

Als Odd den Vandalismus entdeckte, schnappte er sich einen großen Besen und wollte den Übeltäter stellen. Doch Sebben schien die Gefahr zu erahnen, er ließ von dem Hemd ab, das er gerade auch noch auf den Boden ziehen wollte und rannte hinter die Hütte. Odd rannte hinter ihm her. Es kam zu einer intensiven Jagd rund um die Hütte. Einmal schaffte es Odd in die Nähe des Täters zu kommen und konnte ihm einen leichten Schlag mit dem Besen versetzen, aber er schaffte es nicht ihn zu stellen. Bjørvik und Knut beobachteten die wilde Hatz und legten gute Worte für Sebben ein, aber Odd ließ sich nicht besänftigen. Er verfolgte weiter den jungen Eisbären. Doch als er wieder hinter der Hütte auftauchte, war er allein. Wo war Sebben? Odd dachte, dass der Bär seinen Vorsprung vergrößert hätte und ein Stück von der Hütte weggelaufen wäre. Doch die beiden Beobachter wussten, dass Sebben auf das Dach der Hütte geklettert war, um sich in Sicherheit zu bringen. Da lag er nun außer Reichweite und schaute nach unten. Odd musste völlig außer Atem aber mit einem Lächeln auf den Lippen kapitulieren. Sebben hatte wieder gewonnen.

When Odd discovered the prank, he grabbed a large broom and tried to drive the culprit away.  Sebben sensed trouble, so although he did want to pull it down, he abandoned the final T-shirt and ran behind the cabin.  Odd ran after him.  There was a big hunt all around the house.  Once Odd managed to corner the offender, he planned to swat him with the broom, but he didn’t have Sebben’s cooperation for that.  Bjørvik and Knut watched the wild chase and tried to put in a good word for Sebben, but Odd was not put off.  He chased the cub.  But when he ran after him outside, he suddenly discovered himself alone.  Where was Sebben?  Odd thought maybe the bear would have run faster to get away from the cabin.  But the two observers spotted him:  He had climbed to the roof of the hut to be safe.  He was now out of reach and looked down.  Odd was completely out of breath but gave up with a smile on his lips.  Sebben had won the day.

Foto: Sebben in Tromsø (Lydevart Pettersen)

Am Mittsommerabend saßen die Männer zusammen. Sie hatten Kuchen gebacken und ein saftiges Bärensteak gebraten. Nach dem Essen spielten sie Karten und für jeden stand ein starker Grog auf dem Tisch. Sebben schlief in Bjørviks Koje. Plötzlich hörten die Männer einen scharfen Knall. Für die Männer war das das Signal, dass ein Walfangschiff auf dem Weg zum Festland vorbeikam, um sie mitzunehmen. Endlich! Sie ließen alles stehen und liegen und rannten auf einen kleinen Hügel, von dem aus sie eine gute Aussicht hatten. Aber nichts war zu sehen – nur Eis und wieder Eis. Enttäuscht mussten sie feststellen, dass kein Schiff ein Signal abgegeben hatte. Der Knall war durch das Zusammenstoßen von Eisschollen im Packeis entstanden. Auf dem Weg zurück zur Hütte trafen sie auf Sebben, der gerade auf dem Weg nach draußen war. Aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Er torkelte. Schnell war Bjørvik und seinen Freunden klar, was passiert war.

At the summer solstice, the men were sitting together.  They had baked cakes and fried a juicy bear steak.  After dinner, they played cards and enjoyed a rum toddy  at the table.  Sebben was asleep in Bjørvik’s bunk.  Suddenly they heard a loud BANG!  For the men, it was a signal that a whaling ship was approaching and could take them to the mainland.  At last!  Leaving everything behind, they ran up a hill to have a good look.  But there was no sign of a ship, just ice and more ice.  Disappointed, they had to realize that there’d been no ship.  The blast had been caused by ice floes colliding in the pack ice.  On the way back, they met Sebben, on his way out.  But something was wrong.  He was staggering.  Right away Bjørvik and his friends knew what had happened.

Sebben war von der Hektik geweckt worden, als die Männer aufgebrochen waren. Er war vom Bett heruntergesprungen und hatte die Gelegenheit genutzt sich den guten Sachen auf dem Tisch zu widmen. Vor allem der Grog hatte es ihm angetan. Er hatte die Gläser umgestoßen und sorgfältig den Tisch saubergeleckt.

Sebben woke up to the commotion, as the men had left.  He had jumped off the bed and used the opportunity to have a good look at the treats on the table.  Especially the toddy.  He had knocked over the glasses and licked the table clean.

Die Eisbären draußen hatten zur Feier des Tages auch ein großes Stück Fleisch erhalten. Sebben, durch den Alkohol ein bisschen größenwahnsinnig geworden, wollte ausgerechnet Maks sein Stück Fleisch abnehmen, obwohl er normalerweise einen Bogen um den größeren Eisbären machte. Der knurrte drohend, bereit zum Angriff. Sebben ließ von dem Stück Fleisch ab, legte aber drohend die Ohren an. Maks schien, zunächst etwas irritiert zu sein von der Dreistigkeit des kleinen Bären, aber dann gab er ihm einen Schlag mit der Tatze. Sebben flog ein Stück über den Boden. Die Männer griffen ein und schafften ihn in die Hütte. Dort fiel er betrunken und erschöpft unter dem Tisch zusammen und schlief sofort ein. Die ganze Nacht störte sein lautes Schnarchen die Nachtruhe der Männer. Erst am späten Vormittag des nächsten Tages wachte er in äußerst schlechter Stimmung auf. Offensichtlich hatte Sebben einen Kater, denn er hatte weder Lust etwas zu fressen noch etwas zu trinken.

The polar bears outside were to celebrate the solstice with a big piece of meat.  Sebben, a bit drunk, wanted just to get Maks’ piece of meat, although generally he was submissive around the bigger bear.  Maks growled threateningly, ready to assert himself.  Sebben let go of the meat and left, issuing a few threats.  Maks at first seemed irritated by the audacity of the little bear, then smacked him with his paw.  Sebben knocked a piece flying across the floor.  The men got involved and took him inside.  He was worn out and drunk, and crawled under the table to fall asleep.  All night the men were disturbed by his loud snoring.  He woke up in the late morning in a very bad mood.  Obviously Sebben was hung over because he didn’t want anything to eat or drink.

Foto: Sebben in Tromsø (Lydevart Pettersen)

Eines Abends Mitte Juli war es dann endlich so weit. Ein Walfangschiff, die «Blåsel» aus Tromsø, legte vor der Insel an, um die drei Jäger und ihre Beute an Bord zu nehmen. Ihre Jagd war äußerst erfolgreich gewesen. Sie hatten 150 Eisbären erlegt, ein Rekordergebnis. Der Kapitän des Schiffs war mit zwei Mannschaftsmitgliedern an Land gerudert und wurde von den drei Jägern begeistert begrüßt. Sie waren froh, dass es nun endlich nach Hause ging. Nur der Koch des Schiffes Anton war auf der Blåsel geblieben. Er wusste, dass die Jäger oft Eisbärjungtiere einfingen und hatte Angst vor ihnen. Er wollte keinem Eisbären Auge in Auge begegnen. Der Kapitän betrat mit seinen Begleitern die Hütte und entdeckte sofort Sebben, der auf einem Bett schlief. Er wollte seinem Koch gerne einen Streich spielen. Er ging hinaus und rief zum Boot hinüber, dass es nur Felle in Fässern und keinen lebendigen Eisbären im Lager der Jäger gebe. Sebben wurde unter einem Pullover versteckt, der Koch kam in die Hütte und setzte sich neben Bjørvik auf dessen Bett. Die Männer wurden mit Pfannkuchen, Kaffee und Brandy bewirtet. Der Koch wollte sich eine Zigarette drehen und griff mit abgewinkeltem Daumen hinten in seine Hosentasche, wo er seinen Tabak aufbewahrte. Er nestelte ungeschickt an der Tasche herum. Die perfekte Gelegenheit. Sebben hatte die Angewohnheit an allem zu saugen, was in die Nähe seines Mundes kam. Bjørvik zwickte das Eisbärenjungtier, um es aufzuwecken. Er bekam ein paar Zuckerwürfel und als Sebben die vertilgt hatte, entdeckte er den Daumen des Kochs, streckte seinen Kopf ein bisschen nach vorne und begann an dem Daumen zu saugen. Der Koch drehte sich langsam herum, sah den Eisbären und zog panisch seine Hand zurück und rannte aus der Hütte und suchte das Weite. Als die anderen ihm schließlich lachend folgten, war er schon fast wieder auf dem Schiff angekommen. Auf der Fahrt nach Norwegen bekamen die Männer die Quittung für ihren Streich. Anton war schlecht gelaunt und so gab es nur dünnen Haferbrei zu essen.

One evening in mid-July the moment finally arrived.  The whaling ship “Blåsel” from Tromsø arrived off-shore to take the three hunters and their prey on-board.  The hunt had been very successful.  They had killed 150 bears, a record result.  The ship’s captain was rowed ashore by two crew members and was greeting with enthusiasm by the three hunters.  They were glad to go home at last.  Only the cook Anton remained on the Blasel.  He knew that a lot of hunters captured polar bear cubs and was afraid of them.  He didn’t want to come face-to-face with any polar bears.  The captain and the others came into the cabin and immediately discovered Sebben, asleep on a bed.  He had it in mind to play a prank on the cook.  He went out and called to the ship that there were only pelts in drums and no polar bears living in the hunters’ camp.  Sebben had been hidden under a sweater, so the chef came into the hut and sat down next to him on Bjørvik’s bed.  The men were served pancakes, coffee, and brandy.  The cook thought to roll a cigarette and reached with his thumb into his back pocket, where he kept his tobacco.  He fumbled around awkwardly.  It was the perfect opportunity.  Sebben had a habit of suckling on anything that came near his mouth.  Bjørvik nudged the polar bear cub to wake him up.  He got a couple of sugar cubes and as Sebben devoured them, he noticed the cook’s thumb, reached forward a bit, and began to suckle on the thumb.  The cook turned around slowly, panicked at the sight of the sight of the polar bear, pulled his hand away, and ran out of the cabin.  The others followed, laughing, until he arrived back at the ship.  On the trip back to Norway, the men paid for their prank.  Anton was mostly in a bad mood, so only gave them porridge to eat.

Drei der fünf Eisbärenjungtiere hatten überlebt: Maks, Tott und Sebben. Die beiden anderen waren in einer Nacht von einem erwachsenen männlichen Eisbären getötet worden. Der Hund, der bei den Eisbären Wache halten sollte, hatte sich in die Hütte geschlichen, als sich der große Eisbär näherte. Die Jungtiere wurden über einen Vermittler an Zoos in Europa verkauft. Nur Sebben blieb zunächst noch eine Zeit bei Bjørvik.

Three of the five polar bear cubs had survived:  Maks, Tott, and Sebben.  The other two had been killed one night by an adult male bear.  The dog, who should have been keeping watch for the polar bear, had sneaked into the hut as the large bear approached.  The cubs were sold through an intermediary to zoos in Europe.  Only Sebben stayed with Bjørvik for a while. 

Foto: Sebben in Tromsø (Lydevart Pettersen)

Helge Ingstad, ein bekannter norwegischer Schriftsteller und Abenteurer, war zu dieser Zeit in Tromsø und hatte davon gehört, dass Bjørvik Jacobsen einen zahmen Eisbären von Spitzbergen mitgebracht hatte. Er fand, dass es eine gute Idee wäre, einige Filmaufnahmen von Sebben zu machen, schließlich wurde überall erzählt, dass man in den Straßen von Tromsø Eisbären begegnen könnte. So kam es zu einer seltsamen Prozession. Zwei Männer und ein Eisbär spazierten über die Straße bei herrlichem Sommerwetter. Doch das Wetter war zu schön für Sebben. Es war ihm zu warm und bald weigerte er sich einen Meter weiterzugehen. Sie klingelten im nächsten Haus an der Tür und bestellten dort mit dem Telefon ein Taxi. Der Taxifahrer war zunächst wenig erfreut davon, dass einer seiner Fahrgäste ein Eisbär war. Aber er ließ die beiden Männer mit dem Bären schließlich einsteigen. Sebben saß zusammen mit den Männern auf dem Rücksitz. Das war neu für ihn, aber die Autofahrt gefiel ihm. Er legte die Tatzen auf die Rückenlehne des Vordersitz  rechts und links vom Kopf des Fahrers. Es wurde eine wacklige Fahrt mit einem panischen Fahrer am Lenkrad. Trotzdem konnten sie den Fahrer überzeugen, während der Filmaufnahmen in der Stadt zu warten, um sie später zusammen mit Sebben wieder nach Hause zu fahren.

Helge Ingstad, a well-known Norwegian writer and adventurer, was in Tromsø at the time and had heard that Bjørvik Jacobsen had brought back a time polar bear from Svalbard.  He thought it would be a good idea to take some film of Sebben since he had been told everywhere that he might encounter polar bears on the streets of Tromsø.  It was a strange parade, two men and a polar bear walking the streets in the glorious summer weather.  But the weather was too nice for Sebben.  He was too warm and soon refused to follow further.  At the next house, they called a taxi.  The taxi driver was at first not pleased when he saw that one of his passengers was a polar bear, but finally he let them get in.  Sebben sat with the men in the back seat.  This was a new thing for him, and he liked the car.  He put his paws on the front seat, on both sides of the driver’s head.  It was a wild ride, with a panicky driver at the wheel.  Nevertheless, they were able to convince the driver to wait for them while they filmed in the town and to take Sebben home with them again.

Bevor die unvermeidliche Trennung von Bjørvik Jacobsen und seinem Eisbären kam, sollte es noch ein Live-Interview mit dem Jäger und seinem Eisbären bei einem lokalen Radiosender in Tromsø geben. Thema der Sendung war der Aufenthalt der Jäger im Winter auf Halvmåneøya. Bjørvik hatte von seinen Erlebnissen erzählt und ein Brüllen von Sebben sollte der Höhepunkt der Sendung werden. Aber Sebben wollte nicht brüllen, ein sanftes Brummen war alles, was er hören ließ. Doch der Moderator wollte nicht so leicht aufgeben. Man hoffte Sebben würden brüllen, wenn Bjørvik aus dem Raum ging. Es war heiß im Studio und Sebben mochte es nicht alleine zu sein. Er sprang auf den Tisch und fegte eine Schreibmaschine herunter. Sie knallte gegen die Wand und blieb zerstört auf dem Boden liegen. Der Moderator lag mit dem Rücken auf dem Boden – Gott sei Dank unverletzt.

Before the inevitable separation of Bjørvik Jacobsen and his polar bear arrived, there was a radio interview with the hunter at a local station in Tromsø.  The theme of the show was the hunter’s experience, spending the winter in Halvmåneøya.  The bawling of Sebben was planned to be the highlight of the show.  But Sebben failed to roar.  All they could hear was a gentle hum.  The interviewer did not give up so easily.  They hoped Sebben would protest when Bjørvik left the room.  It was hot in the studio, and Sebben didn’t like to be left behind.  He jumped on the table, knocking off a typewriter.  He slammed against the wall and fell to the ground.  The presenter was lying back on the floor, thankfully unhurt.

Der Zwischenfall hatte übrigens ein Nachspiel, der Vorgesetzte des Moderators wollte nicht glauben, dass ein Eisbär die Schreibmaschine zerstört hatte.

There was a sequel to this incident, by the way.  The moderator’s boss refused to believe that a polar bear had destroyed the typewriter.

Als der Tag des Abschieds von Sebben gekommen war, war Bjørvik in einer niedergeschlagenen Stimmung. Sebben sollte mit Hilfe des Unternehmens „Otto Holm Sons“ nach Süden transportiert werden, um in einem Zoo zu leben. Man hatte ihn schon abgeholt, da erkannte Bjørvik, dass er sich von seinem treuen Freund aus Spitzbergen noch einmal richtig verabschieden musste. Er fuhr zum Kai im Norden der Stadt, wo die Lager des Transportunternehmens lagen. Er  betrat ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen die Lagerhalle, wo die Transportkiste mit Sebben stand. Er holte ihn aus der Kiste und drückte ihn noch einmal ganz fest. Dann gab er er ihn frei, um ein letztes Mal mit ihn zu spielen und zu raufen. Aber dann gab es kein Zurück mehr. Sebben musste zurück in die Kiste und Bjørvik musste Abschied von ihm nehmen.

When the day arrived for Sebben to leave, Bjørvik was in a sad mood.  Sebben was to be transported south with the help of the company “Otto Holm Sons”, to live in a zoo.  After Sebben had already been brought to the store of the company, Bjørvik realized that he had to give a proper good-bye to his loyal friend from Spitsbergen. He drove to quay in the north of Tromsø, where the transport crate with Sebben stood. He didn’t ask anybody for a permisson.  He walked into the warehouse and  took Sebben out of the crate and held him tightly.  Then he let free one last time, to play and to fight.  But there was no turning back.  Sebben eventually had to go back in the crate, and Bjørvik had to take his leave.

In welchem Zoo er gelandet ist, weiß man nicht, vermutlich ist er nach Belgien gebracht worden.

It is unknown what zoo he landed in, probably somewhere in Belgium.

Die Erlebnisse auf  Halvmåneøya hat Bjørvik Jacobsen, der ausgebildeter Lehrer war, in einem Buch „Halvmåneøya: En fangstberetning fra Svalbard“ aufgeschrieben. Darin erzählt er auch von seiner besonderen Freundschaft mit dem Eisbärjungtier Sebben.

This experience of Bjørvik Jacobsen, a trained teacher, on Halvmåneøya appears in a book called Halvmåneøya: En fangstberetning fra Svalbard (Crescent Island: Reports from Svalbard)./span><  There he tells the story of his friendship with the little polar bear Sebben.

Ich habe Sebbens Geschichte auf der Webseite von Polarhistorie gefunden, die in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Polar Institut, der Gemeinde Troms und der Universität von Tromsø entstanden ist. Der Original Artikel in Norwegisch wurde von Tore Sørensen geschrieben.

I found the story of Sebben on a website of polar history, created in collaboration with the Nowegian Polar Institute, made up from the community and the University of Tromsø.  The original article  was written in Norwegian by Tore Sørensen.

6 Antworten zu “Als die Eisbären durch die Straßen von Tromsø spazierten.

  1. What a sweet story with such a sad ending! Thank you so much, Ulli!

  2. Hello Birgit,

    „Intelligenteste“. Actually I think that bears are smarter than we are … in some environments. They can survive when we can’t. Also, remember who generally writes intellince tests — it’s not bears.

  3. Liebe Ulli.

    Ich habe die Geschichte von Sebben mit großer Freude und viel Interesse gelesen, Freude, weil es einfach Spaß gemacht hat, die von dir mit sicherlich viel Mühe übersetztem kleinen Abenteuer des kleinen Bären nachzuempfinden, ich bin nach wie vor nicht immun gegen Geschichten , die aufzeigen , wie eng das Band Mensch und Bär sein kann, auch wenn wir alle wissen, dass Eisbären einfach in ihrer Umgebung und mit ihren Müttern zu bleiben haben (ich schenke mir heute einfach mal den eigentlich ernsten und beschämenden Teil des Jagens zu kommentieren). Herzhaft lachen musste ich bei der Sequenz des Daumenlutschens und wie sehr die Männer ihren Spass daran hatten, Sebben um sich zu wissen.Wie gerne würde ich wissen wollen , in welchen Zoo er gekommen ist. Die Fotos sind umwerfend, Bilder von dem ausgestopften Bären in Tromsö kannte ich, die Geschichte von Sebben noch nicht. Einfach Danke , dass du sie ausgegraben hast und uns ein Stück hast dran teilhaben lassen. Wie schön, dass Bjørvik Jacobsen seine Erlebnisse aufgeschrieben hat und wir dadurch auch heute noch Sebben kennenlernen durften.Interessant finde ich, dass der Intelligenteste der kleine Eisbär ist…

    Ganz liebe Grüße

    Birgit

    • Liebe Birgit,

      ich habe auch sehr viel Freude an der Geschichte von Sebben und ich denke, dass nicht nur Sebben von Bjørvik, sondern auch der Mensch einiges von dem Eisbären gelernt hat. Bjørvik ist später nach Süden gegangen und hat statt Eisbären zu jagen, Kinder unterrichtet und sein Buch geschrieben. Er hat wohl den kleinen Bären, sein Leben lang im Herzen bei sich gehabt.

      LG Ulli

  4. Das ist eine ganz zauberhafte Geschichte. Ich würde gern wissen, was aus Sebben geworden ist und ob er Nachwuchs hat.

    Liebe Grüe

    Yeo

  5. Hallo ihr Beiden,

    was für eine Geschichte.
    Vielen Dank fürs Finden und Aufbereiten.Ja, das waren wohl Zeiten damals.GsD sind sie vorbei, aber so war es halt.
    So entzückend die Geschichte ist, so traurig ist der Abschuss von 150 Eisbären und das Einfangen der Eisbärenkinder.

    Trotzdem, ich hatt Spaß beim Lesen dieser Geschichte und war traurig am Ende.Das Eisbärchen und sein Menschenfreund haben sicher schwer unter dem Abschiedsschmerz gelitten.

    Liebe Grüße,
    Brigitte

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