40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil II

Nur zusammen mit den indigenen Völker, kann man die Eisbären vor dem Aussterben bewahren.

Mit der Verabschiedung des Internationalen Übereinkommens über die Erhaltung der Eisbären, am 15. November 1973 in Oslo begannen Maßnahmen, die Jagd auf Eisbären auf ein nachhaltiges Maß zu begrenzen und den Handeln mit Eisbärenfellen und anderen Gegenständen, die aus den erlegten Bären hergestellt werden, zu kontrollieren. Dies geschah in den fünf Unterzeichnerstaaten auf unterschiedliche Art und Weise. Zahlreiche nationale und bilaterale Abkommen, Verordnungen und Gesetze, die in den folgenden Jahren verabschiedet wurden, regeln bis heute die Jagdbeschränkungen, legen Quoten fest und regulieren den Handel.

Einen wirksamen Tierschutz kann man nur zusammen mit den Menschen, die im gleichen Lebensraum wie die Tiere leben, durchsetzen. Deshalb kann auch ein Abkommen zum Schutz der Eisbären  nur dann Erfolg haben, wenn es auch die Kultur, der in der Arktis lebenden Urbevölkerung berücksichtigte.

Funde von Speeren, gefertigt aus Hörnern von Wollnashörnern und Mammutzähnen, und bearbeiteten Steinen am Rande des sibirischen Flusses Yana jenseits des siebzigsten Breitengrades belegen, dass schon vor 30.000 Jahren Menschen in der Arktis lebten.

Gegen Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren folgten Jägergemeinschaften den Herden von Karibus durch den Norden Sibiriens. Sie waren die ersten Menschen, die die Beringstraße überquerten und so nach Nordamerika gelangten. Ihre Nachkommen siedelten sich einige 1000 Jahre später entlang der arktischen Küste an und sicherten ihren Lebensunterhalt durch die Jagd auf Wale, Walrösser, Robben und Eisbären. Heute leben fast 4 Millionen Menschen in der Arktis – Indigene Völker und Zuwanderer. Rund zehn Prozent davon gehören der Indigenen Bevölkerung an. Die Indigenen Völker der gesamten Arktis haben unterschiedliche Kulturen, Traditionen und Sprachen, aber alle haben eine enge Verbindung zu ihrer natürlichen Umgebung und für die meisten von ihnen stellt neben der Rentierhaltung und dem Fischfang, die Jagd auch heute noch die Grundlage ihres Lebensunterhaltes dar. Für sie alle ist der Eisbär ein ganz besonderes Tier, dem sie Respekt zollen, dessen Erlegen dem Jäger aber auch ein hohes Ansehen in seiner Gemeinde garantiert.

Es ist kein leichtes Leben in dem menschenfeindlichen Klima und in den vergangenen Jahrhunderten hat man die Rechte der Ureinwohner in der Arktis missachtet. Früher waren es Wale, Robben und Eisbären, die die Menschen aus dem Süden anlockten, um sie zu jagen. Heute sind es Bodenschätze, Erdgas und Ölvorkommen, die von internationalen Konzernen gefördert werden. Man nahm und nimmt den Ureinwohnern ihr Land und zwang sie ihre nomandische Lebensweise aufzugeben. Viele wurden entwurzelt und verloren ihre kulturelle Identität. Die Folgen sind bis heute Alkoholmissbrauch und eine hohe Suizidrate. Hinzukommt, dass die Gas- und Ölförderung mit Umweltverschmutzung einhergeht. Die Menschen, die in unmittelbarer Nähe der Förderstätten wohnen, leiden zunehmend an Atemwegs- und Krebserkrankungen und ihre Lebenserwartung ist deutlich geringer als der Durchschnitt.

Der Klimawandel vollzieht sich in der Arktis zwei- bis dreimal schneller als im globalen Durchschnitt. Er verändert die Lebensbedingungen für Menschen, Flora und Fauna für immer: Die 400.000 Ureinwohnern der Arktis sind von den unmittelbaren und den indirekten Folgen der Ölpolitik als erste und am stärksten betroffen. Umso wichtiger ist es mit ihnen gemeinsam zu arbeiten, wenn man die Natur der Arktis schützen will. Menschen und Eisbären sind in gleichem Maße bedroht.

Grönland – Schutz durch Jagd Quoten und Ausfuhrverbot

Eisbärin mit zwei Jungtieren auf Meereis in Nordostgrönland 2006, von  Martha de Jong-Lantink

Eisbärin mit zwei Jungtieren auf Meereis in Nordostgrönland 2006, von Martha de Jong-Lantink

In Grönland leben rund 56.000 Menschen, davon sind 88% Nachkommen der Kalaallit, einer Untergruppe der Inuit. Seit 1814 gehört Grönland zu Dänemark. Am 1. Mai 1979 erlangte Grönland die Selbstverwaltung sowie die innere Autonomie mit eigenem Parlament und eigener Regierung. Seitdem besteht es als „Nation innerhalb des Königreichs Dänemark“.

Annähernd 45 % der Fläche der Insel nimmt der Nordost-Grönland-Nationalpark. Er wurde 1974 eingerichtet und 1988 auf seine jetzige Größe erweitert. Im Januar 1977 wurde er zum internationalen Biosphärenreservat erklärt. Mit seinen 972.000 km² ist er der größte Naturschutzpark der Erde. In den Küstengebieten des Nationalparks trifft man auf zahlreiche Eisbären.

Vor dem Jahr 2006 die Jagd auf Eisbären auf Grönland nicht durch Quoten reglementiert. Doch es war untersagt motorisierte Fahrzeuge (inklusive Motorschlitten) oder Boote über 40 BRT  als Transportmittel zu den Jagdplätzen oder von dort weg zu benutzen. Die Jagd mit kleinkalibrigen Gewehren, Schrotflinten und halb- oder vollautomatischen Gewehren war untersagt. In den Gemeinden Avanersuaq, Upernavik, Ammassalik und Ittoqqortoormiit, durften Jungtiere bis zu einem Jahr und ihre Mütter nicht gejagt werden. Eine Regel die im Rest von Grönland auch für Weibchen mit bis zu zwei Jahre alten Jungtieren galt. Es galt eine Jagdsaison für Weibchen von September bis Juli, außer in Ammassalik, wo die Jagdsaison von Oktober bis August reichte. Erwachsene männliche Eisbären durften das ganze Jahr gejagt werden. Diese Regelungen sollten verhindern, dass die Jäger ihre Effizienz mit moderner Technologie steigerten, während sie gleichzeitig eine relativ freie und unkontrollierte Jagd erlaubte, in einem Gebiet, in dem die Durchsetzung des Gesetztes ohnehin schwierig ist.

Daten aus: WWF, Icon on Ice

Daten aus: WWF, Icon on Ice

Es gibt nur geringes Datenmaterial, das die Abschussdaten vor 1993 erfasst. Die getöteten Eisbären wurden in der „List of Game“ („game“ bedeutet hier „Wild“) erfasst. Es wurde eine Person pro Gemeinde bestimmt, die die Tötungen von allen Jägern seiner Gemeinde erfasste und sie einer zentralen Behörde meldete. Fehlten solche Meldungen aus irgendwelchen Gründen wurde die Zahl der Abschüsse auf der Basis „anderer Informationen“ geschätzt. Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Art der Datenerfassung sehr unzuverlässig ist und wenig Aussagekraft hat.

Im Oktober 1992 wurde ein neues Erfassungssystem eingerichtet: “Piniarneq”. Es basierte auf dem Prinzip, das jeder Jäger, wenn er seine Jagdlizenz verlängern wollte, die von ihm getöteten Tiere mit Hilfe eines Formulars im September jeden Jahres melden musste, in dem die Art und die Anzahl der gejagten Tiere erfasst wurde. Von 1995 ab waren die Jäger zusätzlich verpflichtet nach jeder Jagd einen Bericht mit dem Datum der Jagd und dem Geschlecht und dem geschätzten Alter jedes getöteten Eisbären abzugeben. Die so erfassten Daten zeigen, dass zwischen 1993 und 2003 die Zahl der getöteten Tiere signifikant anstieg von 132 im Jahr 1993 auf 278 getötete Tiere im Jahr 2003. Der Anstieg war ausschließlich durch eine Erhöhung der getöteten Eisbären aus der Baffin Bay Subpopulation begründet, eine Eisbärenpopulation, deren Zahl nach Wissenschaftlichen Studien seit Jahren signifikant sinkt,  da das Meereis in der Baffin Bay in der letzten Jahrzehnten stark abgenommen hat. Am stärksten stieg die Anzahl der erlegten Bären in der Gemeinde Upernavik – von 43 Eisbären im Jahr 1993 auf 135 im Jahr 2003.

aus: WWF, Icon on Ice

Daten aus: WWF, Icon on Ice

Im September 2005 wurde ein Gesetz „zum Schutz der und der Jagd auf Eisbären“ verabschiedet.  Seitdem stehen alle Jungtiere unabhängig vom Alter und ihre Mütter unter Schutz und dürfen nicht getötet werden. Es ist verboten Eisbärinnen in den Geburtshöhlen zu stören.  Zwischen dem 1. Juli und dem 31. August darf nicht gejagt werden, in den Gemeinde Ittoqqortoormiit und Ammassalik gilt der Schutz vom 1. August bis zum 30. September. Die Regierung Grönlands legt eine Jagdquote für Eisbären fest unter Berücksichtigung des Ratschlags des Instituts für Naturressourcen Grönlands, der Jagdstatistiken und Verhandlungen mit dem Jagdgremium.  Die Quote wird zwischen den relevanten Gemeinden durch das Ministerium für Fischerei und Landwirtschaft aufgeteilt. Nur einheimische Jäger, die ihren Lebensunterhalt mit der Jagd verdienen, erhalten eine Jagdlizenz und dürfen Eisbären jagen. Es dürfen keine Flugzeuge, Hubschrauber, Motorschlitten oder andere motorisierte Fahrzeuge und keine Boote mit mehr als 15 GT bei der Jagd genutzt werden. Fallen, Gift oder Selbstschussanlage sind verboten und die Patronen müssen ein Mindestkaliber von 30.06 (7.62 mm) besitzen.

Ittoqqortoormiit 2006, von Martha de Jong-Lantink

Ittoqqortoormiit 2006, Martha de Jong-Lantink

Den Inuitjägern der Gemeinde Ittoqqortoormiit ist die Jagd im Nordost-Grönland-Nationalpark erlaubt. Während zu Beginn der 80er Jahre des 20. Jh. noch 15 – 20 Eisbären pro Jahr gejagt wurden, ist die Anzahl in der letzten Zeit deutlich gesunken.

Das Einhalten der Jagdquoten wird durch ein doppeltes Berichtssytem kontrolliert. Der Jäger muss vor der Jagd bei den örtlichen Behörden eine Lizenz erwerben und unmittelbar nach der Jagd muss er seine Beute der Behörde melden. Dazu wird ein standardisiertes Formular genutzt, das den Namen des Jägers, die Lizenznummer, den Ort und den Zeitpunkt der Jagd, das Geschlecht und das geschätzte Alter des getöteten Bären, sowie eventuell vorhandene Markierungen erfasst. Kommt es zu Unstimmigkeiten im System, z.B. wenn ein Jäger nur Daten in einem der beiden Systeme gemeldet hat, nimmt man Kontakt mit ihm auf, um die Diskrepanz zu klären.

Seit 1985 ist Grönland berechtigt CITES Lizenzen für den Handel mit Produkten aus geschützten Tieren zu vergeben. Seit im Jahres 2007 eine Untersuchung feststellte, dass man nicht sicher sein konnte, dass die Jagd auf Eisbären in Grönland nachhaltig ist, verhängte die Regierung Grönlands ein freiwilliges, zeitlich begrenztes Verbot für die Ausfuhr von allen Produkten, die aus getöteten Eisbären produziert werden, das bis heute Gültigkeit hat. Im Jahr 2014/2015 sollen laufende Studien über den Status der Eisbärenpopulation auf Grönland beendet sein und dann wird man über eine Fortsetzung oder Aufhebung des Handelsverbots entscheiden.

Natürlich hat sich auch das Leben der Inuit Grönlands geändert. Ich mancher Hinsicht leben sie gleichzeitig in verschiedenen Jahrhunderten, in Häusern ohne fließendes Wasser, aber mit Flachbildfernsehern. Auch heute noch ist die Jagd auf Eisbären ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Kultur. Einige von ihnen sehen die Umweltschützer in der Rolle der Bösewichter. „Die Menschen hier fühlen sich in die Enge getrieben durch die Forderungen der Umweltschützer“, sagt Parnuna Egede, Umwelt-Beraterin des Inuit Circumpolar Councils. „Zunächst verbot die EU den Verkauf von Robbenhäuten, sodass wir davon nicht leben konnten. Jetzt versuchen sie, die Robbenjagd ganz zu verbieten, sowie die Jagd auf Eisbären, und die Beschränkungen für den Walfang. Alles, was uns noch bleiben wird, ist der Bergbau und die Rohstoffgewinnung – das ist natürlich etwas, woran die USA und Europa sehr interessiert sind.“  Die Inuit argumentieren, dass ihre traditionelle Jagd die Eisbärenpopulation nicht gefährdet und wenn man ihre Argumente losgelöst von anderen Faktoren betrachtet, haben sie Recht. Es ist der Klimawandel, der die Zahl Eisbären sinken lässt. Doch wenn man dies in die Rechnung einbezieht, stellt die Jagd einen zusätzlich Druck auf die Eisbärenpopulationen dar, den sie nicht gebrauchen können. „Die Sache ist, dass die Inuit den Klimawandel nicht verursacht haben, aber wir müssen den Preis bezahlen“, sagt Parnuna Egede. „Deshalb wünschen wir uns, die USA und Europa würden etwas gegen ihre Kohlendioxid-Emissionen tun, statt uns zu jagen wegen unserer Jagd und Fischerei. Das wäre viel günstiger für alle, inklusive dem Eisbären.“

Quellen – Sources:

Shadbolt, T., York, G. and Cooper, E.W.T, 2012, Icon on Ice: International Trade and Management of Polar Bears. TRAFFIC North America and WWF-Canada, Vancouver, B.C.

http://www.faz.net/aktuell/wissen/erde/archaeologie-die-subarktischen-jaeger-1147944.html
http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=642
http://www.gfbv.it/3dossier/siberia/artic2006-de.html
https://portals.iucn.org/library/efiles/edocs/SSC-OP-032.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%B6nland
http://www.natur.gl/fileadmin/user_files/Dokumenter/Tekniske_rapporter/Nr_45-2002-The_pola__bear_hunt_in_Greenland.pdf
http://lukedaleharris.wordpress.com/2013/03/24/inuit-the-polar-bear-and-climate-change/
http://www.greenland.com/en/explore-greenland/nationalparken.aspx
http://de.wikipedia.org/wiki/Nordost-Gr%C3%B6nland-Nationalpark

Polar bear management in Greenland by Deputy Minister, Amalie Jessen, 2009

Polar Bears, Proceedings of the 15th Working Meeting of the IUCN/SSC Polar Bear Specialist Group, 29 June-3 July 2009, Copenhagen, Denmark, Compiled and edited by Martyn E. Obbard, Gregory W. Thiemann, Elizabeth Peacock and Terry D. DeBruyn

40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil I
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40 Jahre “Internationales Übereinkommen über die Erhaltung der Eisbären” – Teil III
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