Das Wesen des Eisbären – The spirit of the polar bear

2015

In der Frühlingsausgabe des EAZA Magazin „Zooquaria“ (Issue 69) konnte man einen Artikel des Koordinators des Eisbären EEPs, Janos Szánthó, und des Strategischen Koordinators von Artis Amsterdam, Warren Spencer,  lesen, in dem sie sich mit der Geschichte und der zukünftigen Weichenstellung der Erhaltungszucht der Eisbären in den Zoos Europa auseinandersetzen, den ich im folgenden übersetzt habe.

2015 markiert den 30. Jahrestag der Einführung der Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP). In diesen 30 Jahre haben wir eine Entwicklung und eine Tradition der kontinuierlichen Verbesserung des Artenmanagement durch Zusammenarbeit im europäischen Netzwerk der Zoos und Aquarien etabliert, und mittlerweile ist es unmöglich, sich vorzustellen, Tierbestände in irgendeiner anderen Weise zu managen. Trotz dieser langen Tradition ist es immer noch offensichtlich, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, um einigen herausragenden Herausforderungen zu begegnen – aber wir müssen es schaffen.

Im Vergleich zu anderen Programmen ist das Eisbär EEP relativ jung, gegründet im Jahre 2006, mit einem einer zu diesem Zeitpunkt nicht koordinierten und abnehmenden Population. Die frühe Entwicklung des EEP basierte auf der Festlegung der Grundlagen der Zukunftsfähigkeit – eine Betrachtung, auf die man vor 2006 nicht wirklich sein Augenmerk gelegt hatte. Dies bedeutete, die Anpassung an die vielen Verträge, die bereits zwischen den Institutionen existierten, und  wo immer möglich, die Anerkennung dieser Vereinbarungen. Es war jedoch klar, dass diese historischen Vereinbarungen nicht die Bedürfnisse der Zukunftsfähigkeit der Population erfüllten und das EEP so schnell wie möglich einen Schlussstrich unter die bestehenden Praktiken ziehen musste, damit wir in die Lage versetzt wurden, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen auf der Grundlage genetischen und demographischen Daten zu treffen.

Es war viel versprechend, zu sehen, dass die Mehrheit der teilnehmenden Einrichtungen sich um das neue EEP System versammelte und die klare Bereitschaft zeigte, zum Wohl der Spezies zusammenzuarbeiten. Anfängliche Besprechungen zwischen dem Arten-Komitee und den Institutionen führte zur Festlegung der Ziele des EEP um die Bildungs- und Arterhaltungsrolle der Eisbären innerhalb des Rahmenkonzepts der EAZA:

  • die Präsentation von Eisbären als charismatische Botschafter für die Wildpopulation,
  • die Einbeziehung der Öffentlichkeit mit einer pädagogischen Naturschutz-Geschichte über den Klimawandel,
  • die Förderung der Finanzierung des und Forschung über den Arterhalt der Eisbären in der Wildnis,
  • die Aufrechterhaltung einer demographisch und genetisch stabilen und im Verhalten befähigten Back-up-Population
  • die Verwendung dieser Population, wenn notwendig, für zukünftige Wiederansiedlungen
  • und die Aufnahme gerettet (wilder) Eisbären in der Zukunft.

Der Eisbär ist seit jeher ein emblematisches (sinnbildliches) Tier in der Welt der Zoologischen Gärten, aber in den letzten Jahren ist ein weiterer Schwerpunkt dazugekommen aufgrund der gut dokumentierten Auswirkungen des Klimawandels auf den Lebensraum der Art. Darüber hinaus müssen wir akzeptieren, dass Eisbären in früheren Zeiten unter Bedingungen gehalten wurden, die von „sehr schlecht“ bis „könnte besser sein“ reichten, und so Gegenstand von bedeutsamer und berechtigter Aufmerksamkeit von Besuchern, Behörden, den Medien und Tierschutzorganisationen waren. Während es auf der einen Seite aus Naturschutzsicht beruhigend ist, dass so viele Menschen sich für die Zukunft dieser Art interessieren, ließ uns die Verbreitung von Informationen über neue Kanäle – für eine lange Zeit – mit dem Nachholbedarf auf der Suche das Erbe dieser vergangenen Zeiten zu überwinden und die bestmögliche Fürsorge für Eisbären in Zoos zu fördern kämpfen.

Als Ergebnis war es wichtig, dass parallel zu der Verbesserung der genetischen und demographischen Gesundheit der Populationen, die Entwicklung von sowohl der Haltung als auch der Anlagen für Eisbären in unseren Institutionen mit größter Dringlichkeit verfolgt werden sollte.

Neue Richtlinien

Die Entwicklung einer erfolgreichen Eisbärenhaltung entstand als Folge der Sammlung der langjährige Erfahrung von Spezies-Experten weltweit, die 1998 in den EAZA Ursid Leitlinien veröffentlicht und im Jahr 2007 überarbeitet wurden. Nach der Veröffentlichung der Leitlinien begannen Zoos schnell die Eisbärenanlagen zu erneuern, zu verbessern und neue zu errichten. Es ist bezeichnend, dass vor 2000 viele Zoos relativ kleinen Gehege, etwa 150 – 500 m² groß, hatten, seitdem ist es zu einem beruhigend Anstieg der Gehegegrößen gekommen; die Mehrheit der Gehege, die neu geschaffen wurden sind zwischen 1.000 und 5.000 m² groß. Seitdem haben EAZA-Institutionen akzeptiert, dass kleine Anlagen ungeeignet für Eisbären sind, und haben damit begonnen, viel mehr Platz anzubieten, manchmal viele Hektar.

Als Ergebnis davon ist die Spezies jetzt von vielen neuen potentiellen Halter und Regionen hochgeschätzt und dort, wo die Einrichtungen den modernen wissenschaftlichen Tierschutznormen entsprechen,  bemüht sich das EEP sicherzustellen, dass die Institutionen, die die notwendigen Investitionen in neue oder erneuerte Anlagen getätigt haben, auch Eisbären erhalten.

Mit maßgeblichem Rat und Beteiligung des EAZA Bear TAG wurden Verbesserungen der Qualität der Gestaltung der Geburtshöhle erreicht. High-Tech-Kameras und Audiosysteme in den Geburtshöhlen bieten gute Informationen und ermöglichen die Beobachtung ohne Störung sowie die Darstellung der Lebenszyklen der Bären für die Öffentlichkeit. Dank dieser Entwicklungen hat die hohe Mortalität der Jungtiere vergangener Zeiten angemessen abgenommen und eine viel höhere Überlebensrate wurde erreicht. Dies ist tatsächlich eine Folge der ausschlaggebenden Beratung des EAZA-Bear-TAG in der Leitlinie „Entscheidend Kriterien für die Zucht und Aufzucht von Eisbären in der Gefangenschaft“.

Das Eisbär EEP wagte auch den Schritt eine Haltung-Beratungs-Gruppe zu bilden, mit der Aufgabe Beratung für die Haltung und die Anlagengestaltung für Institutionen, die ihre Anlagen verbessern oder renovieren oder neue Anlagen errichten wollen, bereitzustellen.

Tatsächlich hat das EEP vorgeschrieben, dass Institutionen die Unterstützung eines Haltungs-Beraters einholen müssen, ohne dies werden sie keine Empfehlung für die Zucht und keine Tiere des Programms erhalten. Ohne Zweifel kann diese Beratungstätigkeit sogar Entwicklungs- und Betriebskosten des Projekts reduzieren und den Bau von teuren aber unzureichenden Einrichtungen verhindern.

Nach der Wahl des neuen Eisbär EEP Spezies Ausschusses wurde beschlossen, einen Masterplan für das EEP zu entwickeln. Dies würde einen transparenten Plan für die Spezies bereitzustellen und den vielen wichtigen Programm-Entscheidungen Rechnung tragen die erbracht wurden für den Nutzen der Spezies in unseren Zoos. Dieser Prozess wurde durch die Expertise ermöglicht, die von der EAZA Populations Biologin Kristine Schad, dem EAZA Koordinator für Tiersammlungen und den Arterhaltungsprozess Danny de Man, und dem EEP Spezies Ausschuss zur Verfügung gestellt wurde. Dies war ein vollständig demokratischer Prozess, in dem den am EEP beteiligten Institutionen Entwürfe des Masterplan vorgelegt wurden, um sie vor der endgültigen Veröffentlichung auf der EAZA Konferenz in Budapest 2014 zu überprüfen.

Sensiblen Themen

Wir haben oft und aus vielen Quellen den folgende Ausdruck gehört: „Der Eisbär ist eine sehr politisch sensible Spezies“! Es liegt uns fern, im Nachhinein die Politik eines Eisbären anzuzweifeln, aber in Wirklichkeit ist er nur dann politisch sensibel, wenn wir es so wollen. Wir finden, dass einige Eisbären Managern weit mehr politisch empfindliche Geschöpfe sind. Es ist klar, dass die Haltung von Eisbären praktisch in allen Aspekten ein äußerst sensibles Thema ist, was erfordert, dass das Eisbär EEP ohne jedem Zweifel die Koordination dieser Art in einer Atmosphäre von ständigen Drucks und Aufmerksamkeit abstimmt. Dies ist eine große Herausforderung mit Konsequenzen, die Vertrauen, ernste Hingabe, Verantwortungsbewusstsein und Zusammenarbeit zwischen den EAZA-Mitglieder erfordern.

Wie bei vielen Spezies ist die Eisbären Population in einer recht kritischen Phase und um die Ziele des Programms zu erreichen und mit dem positiven Entwicklung weiterzumachen, ist es wichtig, eindeutige und sorgfältig befolgte EEP Meilensteine zu haben. Damit dies ermöglicht wird, sind eine strenge Koordination des EEP und eine sich stets verbessernde Kommunikation zwischen den Teilnehmern erforderlich; aufgrund der harten Arbeit von jedem in diesen Bereichen werden die bisherigen Herausforderungen, einschließlich später Anfragen an das EEP (die zu spät für uns kamen, um helfen zu können), überwunden werden.

Nicht nur auf dem Gebiet der Kommunikation haben wir Fortschritte erreicht. Einseitige Entscheidungen von Spezies Haltern, die außerhalb der Empfehlungen des EEP operieren, nehmen ebenfalls ab, was ein sehr positiver Schritt bei der Beseitigung des Domino-Effekts auf die Population als Ganzes ist. Wir alle arbeiten hart daran, eine Eisbärenpopulation aufzubauen nach dem Erhaltungszucht Begriff und nicht altmodisch als „Waren“-Spezies und diese Bemühungen werden fortgesetzt, bis die Population vollständig nach den nachhaltig durchdachten Prinzipien, die durch das Programm festgelegt wurden, gemanagt wird. Nach neun Jahren in der Koordination der Spezies als EEP können wir sagen, dass trotz einiger schwieriger politischer Arbeit und einiger unvollendeten Aufgaben das Programm auf dem richtigen Weg ist und wir immer näher an unser Ziel einer genetisch starken und demographisch vielfältig Population herankommen – und zu einem Modellprogramm für die Koordination von so genannten „politischen“ Spezies werden, inklusive der starken Charaktere und Meinungen, die mit ihnen einhergehen.

Ursus maritimus wird auch weiterhin eine Flaggschiffart für den Klimawandel und für die veränderte Mission der Zoos sein. Es obliegt uns den Respekt vor dem Geist des EEPs zu pflegen – den man nicht unterschätzen oder ignorieren darf – und die großartige 30-jährige Tradition des Arten-Management in der Zukunft fortzusetzen.

Quelle – Source: „The spirit of the polar bear“ in  Zooquaria-89-LR

 

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