Toronto: Das Überleben der Kleinsten: Wie der Toronto Zoo Juno, das Eisbärbaby, rettet.

Toronto, 4. Dezember 2015

Toronto: The survival of the smallest: How the Toronto Zoo rescued Juno, the polar bear cub

Bei der Suche auf Neuigkeiten über die Eisbären in den Nordamerikanischen Zoos bin ich auf den folgenden Artikel in der „Globe and Mail“ gestoßen. Die  überregionale kanadische Tageszeitung, die in Toronto beheimatet ist, berichtet darin über die vielen Schwierigkeiten, die das Eisbärbaby und das Team, das sie aufzieht, im Toronto Zoo bewältigen müssen. Man erfährt viele Details, die sonst eher nicht erzählt werden. Eine spannende Reportage, die es  sicher wert ist gelesen zu werden.

Searching for news on polar bears in North American zoos, I came across the following article in the Globe and Mail. It’s a Canadian national daily newspaper, published in Toronto, describes the many difficulties for the polar bear cub and her team of keepers. It contains many details, that generally are not reported. A thrilling report, it is certainly worth having. See the link to the original article below:

http://www.theglobeandmail.com/news/toronto/survival-of-the-smallest-how-the-toronto-zoo-is-saving-juno-the-polar-bear-cub/article27608802/

Foto: Toronto Zoo - Juno am 11. Dezember 2015

Foto: Toronto Zoo – Juno am 11. Dezember 2015

Nachdem ihr Bruder im vergangenen Monat starb und ihre Mutter keine Milch hatte, nahm das Personal des Toronto Zoos Juno weg, um sie mit der Hand aufzuziehen – eine knifflige, lebensentscheidende Aufgabe. Marcus Gee berichtet aus dem Zoo.

In der Morgendämmerung des 18. Novembers registrierte das Veterinärteam, dass das eine Woche alte Eisbärenjungtier im Zoo von Toronto betreute, eine Änderung im Verhalten der kleinen Bärin. Normalerweise sich windend, lautstark und hungrig, war sie nun ruhig und lethargisch. Die Pfleger mussten sie wecken, um sie zu füttern. Sie saugte langsam an der Flasche, die ihre spezielle Milch enthielt. Ihre Pfleger wussten, dass es ein Probleme gab.

Der Eisbär ist das größte Raubtier, dass auf der Oberfläche der Erde wandelt, ein Koloss mit Krallen, der mehr als 700 Kilogramm wiegen und eine erwachsene Robbe aus dem Meer oder Eis rupfen kann mit Tatzen, die die Größe von Pfannen haben. Aber das blinde, zahnlose, hilflose Neugeborene, ist nur etwa so groß wie ein Eichhörnchen, wenn es seine ersten Atemzüge macht, es ist völlig abhängig von der Mutter. Und das Jungtier, mit dem Spitznamen Juno, musste ohne die Pflege seiner Mutter auskommen.

Foto: Toronto Zoo - Juno am 11. Dezember 2015

Foto: Toronto Zoo – Juno am 11. Dezember 2015

Die Bärin, die sie am 11. November im Zoo zur Welt brachte, Aurora, produzierte nicht die fettreiche Milch, die die zerbrechlichen Jungtiere durch ihre gefährdeten ersten Wochen bringt. Ein Bruder, der zur gleichen Zeit wie Juno geboren wurde, starb innerhalb von 24 Stunden. Das Gleiche geschah mit anderen Jungtiere aus den vier vorherigen Würfen von Aurora, einer 340-Kilogramm-Bärin, die im Jahr 2001 zusammen mit ihrer Schwester Nikita in den Zoo kam, nachdem die Beiden verwaist in der Wildnis aufgefunden worden waren. Also nahmen sich die Zoomitarbeiter Juno an, um sie mit der Hand aufzuziehen, und das eine knifflige Geschäft auf Leben und Tod begann, das ein Team von 20 Tierpfleger, Tierärzten und Techniker Tag und Nacht beschäftigt. Während sie arbeiten, lernen sie Lektionen über die Pflege und Fütterung von jungen Bären, die eines Tages helfen könnten, eine der schönsten Tierarten der Natur vom Niedergang oder vom Aussterben zu retten.

Dem Zoo war eine „Handaufzucht“ von Auroras früheren Jungen zweimal gelungen: von Hudson, der im Jahr 2011, und von Humphrey, der im Jahr 2013 geboren wurde. Aber die Tierpfleger sind immer auf der Hut für den Notfall. Äußerlich gesunde Junge können schnell krank werden und innerhalb von Stunden sterben. „Plötzlich können sie abstürzen. Es ist wirklich ziemlich dramatisch“, sagt Christopher Dutton, der Leiter des Veterinärdienstes des Zoos. „Deshalb sind wir immer auf Trab. Es ist schwer, sich zu entspannen.“

Es können beliebig viele Dinge schief gehen. Der spezielle Muttermilchersatz, mit dem Jungen gefüttert werden, kann die Milch ihrer Mütter imitieren, stimmt aber nie mit ihr überein, deshalb sind hand-aufgezogen Jungen anfälliger für Durchfall, Verstopfung oder Klumpen geronnener Milch im Magen. Alles davon kann tödlich für ein fragile Neugeborenes sein. Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufrechtzuerhalten, die richtig für die Bären ist, ist hart. Die Jungen müssen warm, aber nicht zu warm sein. In freier Wildbahn schmiegen sie sich an ihre Mütter in schneebedeckten Höhlen. Eine Infektion ist eine ständige Bedrohung. Juno hat nie Auroras erste Milch, das sogenannte Kolostrum, bekommen, die lebensspendende Flüssigkeit mit Antikörpern, die die Immunität des Jungtiers stärkt. Ohne diesen Schutz können die Jungen in einen Schockzustand durch eine Infektion geraten.

Foto: Toronto Zoo - Juno im November 2015

Foto: Toronto Zoo – Juno im November 2015

Dies war es, was Juno kann am 18. November vermutlich durchstehen musste. Die Tierpfleger, die versuchten dem Jungtier um 6.00 Uhr die Flasche zu geben, bemerkten einen dramatischen Unterschied bei der in der Regel aktive Bärin. Ihr Team handelte sofort. Sie riefen die Tierärztin Pauline Delnatte, die das Junge wärmte und ihr Sauerstoff gab. Dr. Dutton kamen um etwa 8.00 Uhr und legte einen intravenösen Katheter in Junos Vorderbein und versorgte sie mit intravenösen Infusionen, Dextrose und Antibiotika. Sie spitzte die Ohren um den Mittag und begann wieder zu trinken. Innerhalb von ein paar Tagen verhielt sie sich wieder normal.

Junos knappes Überleben zeigte, was für eine riskante Sache es für Menschen ist, ein Eisbärbaby aufzuziehen. Ein Besuch bei Juno und ihre Betreuungsteam zeigt, welche Sorgfalt, Mühe und Liebe zum Detail nötig ist um den zappelnden Ball voller Bedürfnisse am Leben zu halten.

Juno lebt in einem Isolationsraum in einem unscheinbaren Zoo Nebengebäude weit von den Snackbars und von Gräben begrenzten Gehegen, die die Öffentlichkeit sieht. Sie verbringt die meiste Zeit in einem Inkubator mit Glaswänden mit einem ausgestopften Elefanten-Plüschtier und ein paar Fleece-Decken zum Wohlfühlen. Die Mitarbeiter nehmen sie alle zwei oder drei Stunden heraus, um sie mit einer Flasche zu füttern. Sie massieren auch ihren Bauch und Rücken, um sicherzustellen, dass sie uriniert und den Darm entleert, ein Prozess, ein bisschen wie das Drücken von Zahnpasta aus einer Tube aussieht.

Als die zappelnde Bärin nach ihrer Flasche weint, etwas zwischen einem Knurren und Quäken ausstoßend, beschwichtigt die Veterinär-Technikerin Cassia Devison sie mit einem mütterlichen, „Ja, ja, hier bin ich. Du bist so hungrig“, bevor sie dem eifrigen Jungen eine Flasche kredenzt. Als Juno in ein Papiertuch uriniert, gratuliert sie ihr. „Das ist ein großes Pipi, Lady.« Danach tätschelt sie Junos Hintern, das Junge produziert ein Rinnsal von Ausscheidungen, die wie Plätzchenkrümel aussehen, einige von diesen fallen in die Tasche von Frau Devisons Laborkittel.

Foto: The Globe and Mail

Foto: The Globe and Mail

Die eine Sache, die Junos Betreuer nicht zulassen werden, ist das sie an ihrer Haut saugt, wenn ihr Sauginstinkt greift und sie versucht, nach allem zuschnappen, was sich ihr vage anbietet, auch wenn es menschlich ist. Das wäre ein wenig zu vertraut. Eines Tages und zwar bald wird die Bärin ihr Pflege-Unternehmen verlassen.

Jetzt mehr als drei Wochen alt scheint Juno zu gedeihen. Nachdem sie in den ersten Tagen Gewicht verloren hatte, normal für Neugeborene, wog sie am Freitag 1.169 Gramm bei einem Geburtsgewicht von 750 Gramm. Wie jedes Baby heult sie, wenn sie hungrig ist, Geräusche, die laut genug ist, dass man sie im gesamten Gebäude hören kann. Wenn sie aus der Flasche trinkt, „winkt“ sie mit ihren Extremitäten in scheinbarer Freude – als Reaktion darauf nennen ihre Tierpfleger sie “ happy legs“ (glückliche Beine).

Aber der Zoo geht kein Risiko ein. Mitarbeiter sind 24 Stunden am Tag in der Nähe. Sie tragen chirurgische Masken und Handschuhe, wenn sie bei ihr sind. Sie messen ihre Temperatur mit einer Rektalsonde. Sie röntgen sie, oder versuchen es, – sie ist schrecklich zappelig und will nicht still liegen bleiben. Sie nehmen Blutproben, um ihr Glucose- und Elektrolyt-Niveau zu überprüfen. Um ihre Widerstandskraft gegen Infektionen aufzubauen, injizieren sie ihr Blutserum von ihrer Mutter oder einem anderen Bären. Sie scannen ihre Organe mit einem Ultraschallgerät, zuerst spritzen sie ein Schmiermittel auf ihrem pelzigen Bauch, sodass der Handscanner über sie gleiten kann. Sie beschwert sich lautstark darüber.

Foto: Toronto Zoo - Juno am 4. Dezember 2015

Foto: Toronto Zoo – Juno am 4. Dezember 2015

Die richtige Ernährung für sie zu bekommen ist vielleicht die größte Herausforderung. Eisbärenmütter produzieren Milch, die sehr fettreich ist aus ihrer Nahrung von Robbenfleisch. Junos pulverisierter Muttermilchersatz, Milch-Matrix 30/52, ist eine spezielle Mischung für Meeressäuger. Das Zoo Personal fügt Laktase hinzu, um zu verhindern, dass die Milch gerinnt und Wildlachsöl gegen Verstopfung. Wenn das Fischöl nicht funktioniert, sagt Dr. Dutton, geben die Mitarbeiter ihr „den gelegentlichen Einlauf.“

Wenn das wie sehr viel Aufwand für so ein winziges Tier zu sein scheint, dient all diese Arbeit doch einen ernsten Zweck. Experten schätzen, dass die Welt nur 20.000 bis 25.000 Eisbären hat, etwa 15.000 von ihnen in Kanada. Umweltgruppen sagen, dass die globale Erwärmung, diese Population vernichten könnte durch Schrumpfen der Eisschilde, über die die Eisbären auf der Jagd nach Robben wandern. Wenn ja, wird es wichtig sein zu wissen, wie man Eisbären in der Gefangenschaft aufzieht. „Wir wissen nicht, was die Zukunft für Eisbären in freier Wildbahn bringt“, sagt Maria Franke, die Säugetier-Kuratorin des Zoos.

Foto: Toronto Zoo - Juno am 4. Dezember 2015

Foto: Toronto Zoo – Juno am 4. Dezember 2015

Juno bietet dem Toronto Zoo eine Chance, seine Arterhaltungsfähigkeiten in Geltung zu bringen in einer Zeit, in der Zoos die Kritik von Tierrechtsgruppen abwehren müssen. Um seine Forschung zu stärken und die Tierpflege zu verbessern, baut der Zoo ein hochmodernes, $ 18-Millionen teures Wildlife Health Center, komplett mit einem „Sicherheitsraum“ für große Tiere, einer speziellen Reproduktionseinheit, einen Pool für im Wasser lebende Species und ein Sichtkorridor, wo die Besucher den Tierärzten bei der Arbeit zuschauen können. Juno könnte auch die Besucherzahlen steigern, die gesunken sinf (herunter auf 1,1 Millionen Besuchern im vergangenen Jahr von Spitzen von 1,4 Millionen in den letzten zehn Jahren) trotz des Aufenthalt von zwei Pandabären aus China, Er Shun und Da Mao, die im März 2013 kamen. Das Publikum liebt Jungtiere, und der Zoo freut sich im Moment über einen wahren Babyboom. Abgesehen von Juno helfen die Tierpfleger Er Shun zwei Jungtiere aufzuziehen, die im Oktober geboren wurden, und vier weiße Löwenbabys, und man darf nicht vergessen zwei Bisons, ein Kamel, ein Gorilla und zwei Nashornvögel zu erwähnen. Da Juno von ihrer Mutter getrennt werden musste, ist ihre Aufzucht die schwierigste von allen.

Junos Augen sollten sich zum ersten Mal in rund einer Woche öffnen. Als nächstes wird sie in einen größeren Inkubator umziehen und ein Training auf einer Decke beginnen. Dann werden die Pfleger ihr beibringen aus einer Schüssel zu fressen und ihr einen ersten Geschmack von Fleisch nahe bringen. Wenn alles gut geht, sollte die Öffentlichkeit sie in etwa drei Monaten zu sehen bekommen.

Sie wird dann auch einen richtigen Namen bekommen. Weil sie am Remembrance Day geboren wurde, gaben ihr ihre Betreuer ihren Spitznamen nach der Juno Beach, dem D-Day Landeplatz der Kanadier in der Normandie. Aber das ist nur ein vorübergehende Name, den die Zoo Mitarbeiter verwenden. Die Verleihung eines Eigennamens wird die Zeit markieren, wenn sie wissen, dass Juno wirklich aus dem Gröbsten heraus ist. Bis dahin sind Dr. Dutton und seine Kollegen rund um die Uhr auf der Hut, in der Hoffnung, dass das Telefon nicht in der Nacht klingelt.

Der Original Artikel in der „The Globe and Mail“ mit mehr Fotos und einem Video. – The original article in English in  „The Globe and Mail“ with more photos and a video.

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